Helden in Stützstrümpfen
Früher war alles besser, natürlich. Nicht allzu früh freilich, also so zwischen 1950 und 1990. Die Welt schien berechenbar, die Bedrohung überschaubar, und im Notfall gab es noch richtige Helden. West gegen Ost, Zukunft gegen Vergangenheit, Gut gegen Böse, alles klar. Im Jahr 2007 sind die Grenzen fließend, und das ist kein Spaß für Hollywood. Wo sind sie geblieben, die starken Männer? Tom Cruise kämpft auf einer „Mission: Impossible“ gegen das Image als spinnerter Scientologe mit Faible für große Frauen, Brad Pitt spielt lieberden weltumarmenden Papa. Keanu Reeves? Lange nicht gesehen. Wenn die Nachfolger es nicht bringen, müssen eben die Alten ran, und so kehrten bei der diesjährigen Sequel-Welle auch zwei der größten Helden der 80er Jahre zurück: Rocky Balboa und John McClane. Und beide kämpften so sehr gegen das eigene Alter wie gegen die jugendlichen Feinde – eine neue Taktik: Hollywood übertüncht das Alter nicht, es thematisiert den schleichenden Verfall, das unvermeidliche Tattertum.
Der erste Satz in „Rocky Baiboa“ lautet: „Die Zeit vergeht so schnell.“ Rocky nuschelt ihn auf einem Klappstuhl sitzend, am Grab seiner Ehefrau Adrian. In keiner Sekunde erscheint es plausibel, dass der ältere Restaurantbesitzer mit dem zerditschten Gesicht wieder anfängt zu trainieren, die kaputten Knie vergisst und es ausgerechnet mit dem amtierenden Schwergewichtsweltmeister aufnimmt. Der ist selbstverständlich ein unsympathischer Aufschneider ohne großes Talent, der zu neumodischem HipHop in die Arena einläuft, während für Rocky „High Hopes“ von Frank Sinatra gespielt wird. Es wurden zwei Schluss-Szenen gedreht, am Ende zog man erstaunlicherweise das realistische Ende dem siegreichen vor. Die Moral von der Geschichte lautet: dass man im Alter vielleicht nicht mehr gewinnen kann, bestimmt aber nicht mehr gewinnen muss.
Das sieht John McClane naturgemäß anders. Er nimmt es wieder mit Terroristen auf, schafft es allerdings nicht mehr allein, weil die alle so komische Computer haben und Handys und anderen, modernen Scheiß. Der Film heißt „Die Hard 4.0“, aber der Polizist ist keine verbesserte Version seiner selbst, er ist ein Auslaufmodell, das noch Restkapazitäten hat. Während beim kahlköpfigen Cop CCR im Radio laufen („Rock-Klassiker!“, erklärt er), legen die Bösen das Computer-System USA lahm. Es ist ein Spiel mit den typischen Ängsten der älteren Leute, also allen über 30: Können ein paar Hacker, die von Computerspielen keine Kicks mehr kriegen, die Welt ins Chaos stürzen? Plötzlich kann man nur noch den eigenen Augen trauen, keinen Bildschirmen, Ampeln, Telefonen. Elektronik ist böse! Knarren sind real. Als damals die Flugzeuge ins World Trade Center krachten, sagten viele: Sieht aus wie ein Bruce-Willis-Film. Wenn die Realität die Fantasie überholt, weiß Hollywood sich auch nicht mehr zu helfen. Da kann nur noch der aufrechte Alte trösten, der an bessere Zeiten erinnert. Demnächst kommt Harrison Ford als „Indiana Jones“ zurück, vermutlich lässt Mel Gibson sich gerade neue Haare einpflanzen für „Leathal Weapon Reloaded“. Noch ein Lifting, und Clint Eastwood kann wieder den „Dirty Harry“ geben. Ganz ohne Visagisten, Chirurgen und Steroide geht’s auch nicht, aber besser als Rente ist das allemal.
Und wenn in Deutschland nachgefragt wird, wer der beste Kanzler wäre, sagen heute mehr Leute denn je: Helmut Schmidt. Von Jugendwahn keine Spur.