Held der Freiheit
Morgens um elf ist noch (fast) alles in Ordnung, in jenem Nest auf Hawaii, wo Kris Kristofferson seit 15 Jahren lebt. Wo es „keine roten Ampeln und nur zwei Geschäfte“ gibt, wie er lachend erzählt, aber einen kleinen Flughafen sowie reichlich Platz und Unschuld für die fünf seiner acht Kinder, die damals aus dem nicht mehr ganz so gelobten Süd-Kalifornien mitkamen. Wenn der Mann, der 1969 auf seinem Debütalbum „Help Me Make It Through The Night“ flehte, aus dem Fenster seines Anwesens auf einer Vulkan-Anhöhe schaut, tut sich ihm nichts als Meer und Horizont auf, „big and empty“. Ja, genau, so ähnlich wie damals in Brownsville, Texas, wo sich dem jungen Generals-Sohn der Golf von Mexico so verheißungsvoll darbot, bevor es ihn auf die High School und das College in San Mateo bzw. Clarmont. Kalifornien verschlug. Anno 1965 brach er dann mit seiner Familie, ließ eine gewiß hochdekorierte Karriere in der Army oder an einer Elite-Uni sausen, um nach Nashville zu gehen und dort den Traum einer Songschreiber-Karriere zu nähren. Wo er sich aber erstmal lange als Barkeeper, Helikopter-Pilot und Hausmeister in den CBS-Studios verdingen mußte. Erste Versuche als Songschreiber, unter dem Pseudonym Kris Carson, waren da schon fehlgeschlagen. „It was all so easy then…?“ Singt er jetzt jedenfalls auf „This Old Rnad“. Wirklich easy? „Für mich war es damals so leicht, weil ich zwar noch nicht von den Songs leben konnte, aber weil ich das liebte, was ich tat.
Weil ich mit Leuten rum hing, die dieselbe Passion teilten, nämlich Musik zu machen, die etwas bedeutet. Die der Country-Musik einen Respekt verschaffen wollten, die sie damals einfach nicht hatte.“ Und den ihr nicht zuletzt Kristofferson brachte, mit der zarten Poesie etwa von „For The Good Times“. „As darkness closes in, it is good to have heroes“, schreibt Studiophilosoph Jim Dickinson in das Booklet des neuen Albums von Scott Miller („Citation“). „Dem stimme ich definitiv zu“, nickt Kristofferson. „Vor allem, wenn dir deine Helden wirklich helfen können. Wie Johnny Cash es für mich tat. Es ist gut, aufzuschauen zu Leuten, die es wert sind, daß man zu ihnen aufschaut. Denn sie geben dir ein Beispiel, was du mit deinem Leben machen kannst.“ Man muß also auch verstehen, was es Kris Kristofferson immer noch bedeutet, seine Helden persönlich kennengelernt zu haben und mit ihnen arbeiten zu können. Er wird ja erst 60, die anderen Highwaymen Cash, Jennings, Nelson sind rast eine Generation älter. „Ich hätte mir nie träumen lassen, daß ich mal mit allen meinen Helden befreundet sein würde! Also wirklich eng befreundet. Und mit ihnen arbeite. Das war eine große, wunderbare Überraschung in meinem Leben.“
Man muß nicht zuletzt verstehen, daß ihm das Wort „Freiheit“ immer mehr bedeutete als das längst geflügelte Wort aus „Me And Bobbie Mc-Gee“ und natürlich auch mehr als die hohle Phrase, die George Bush und andere Pulverfaß-Patrioten daraus stricken. „The Burden Of Freedom“, ein zentraler Song des neuen Albums „This Old Road“, kann deshalb auch schon über 35 Jahre alt sein. Und trotzdem noch mal ganz jung klingen. Warum der Titel es erst jetzt auf ein Album geschafft hat? „Keine Ahnung. Hängt wohl damit zusammen, daß der Song sogar für meine Verhältnisse zu persönlich ist und ich nicht glaubte, daß sich jemand damit identifizieren könnte. Aber Don Was (der Produzent von „This Old Road“) war beeindruckt und wollte mich damit unbedingt in dieser Session hören. Damals ging es mir nur um meine persönliche Freiheit, ich habe ja praktisch jedem ans Bein gepinkelt. Jemand sagte mal. wenn man Freiheit, Schatten, Straßenpflaster und den Teufel aus meinen Songs verbannen würde, wäre nichts mehr davon übrig. Heute sind meine Songs wesentlich reflektiver, aber sie basieren nach wie vor auf meinen Erfahrungen. Die haben sich nur verändert, ich meine, wenn du Kinder hast, mußt du dich natürlich anpassen, deine Freiheit einschränken – aber das ist ja auch eine ganz wundervolle Veränderung.“