HAZELDINE – BERLIN, KNAACK
Es war ein denkwürdiges Konzert, und die Bedenken hätte man sich schenken können. Von wegen das viele Geld, der neue Drummer, der immense Druck. Für die paar Dollars mehr leistet man sich jetzt den bescheidenen Luxus, in einem komfortablen Tourbus zu reisen. Der zusätzliche Mann am Schlagzeug sorgt für exakteres Timing und ermöglicht Jeffrey Richards, die Sticks permanent für Saiten einzutauschen. Was er auf seiner Akustischen mit Pick-up ins neue Line-up an Fills und Thrills integriert, ist selten weniger als brillant und eröffnet Hazeldine weitere Horizonte. Dabei ist das intrikate Interplay der drei Gitarren schon jetzt ziemlich atemberaubend.
Nicht halb so schön aber wie die Harmonies, die Shawn und Tonya scheinbar mühelos psalmodieren, Harmonies, die schwerelos im Raum hängen und dann tief unter die Haut dringen. Das herzzerreißende „Apothecary“, früher einsames Highlight, ist nur die erste Perle in einer Kette von Hochkarätern. Schon die Covers können begeistern, vom Bluegrass-beflügelten „Mining Camp Blues“ bis zu „Whiskey In The Jar“, das fast Thin Lizzys Version vergessen macht, immerhin aber die Frage aufwirft, was Shawn durch den Kopf gehen mag, wenn sie von Vorgängen in „Molly’s Chamber“ singt Frappierend auch Hazeldines Umdeutung des kalkulierten Genesis-Kunstliedes „Cuckoo Cuckoon“, dem sie Wärme einhauchen und es so zum Leben erwecken. Ein Peter-Gabriel-Song atmet!
Dazwischen neue Tunes aus eigener Feder. Der Titelsong der Ende September ins Haus stehenden zweiten LP „Digging You Up“, robust und doch berückend, das sehnsuchtsvoll-ruhige „Memories“ oder Tonya Lamms „Dead Love“, das lyrisch wie auch melodisch eine Handvoll englischer Folk-Traditionals beleiht und dabei dennoch stets homogen wirkt Zum Abschied wird Lee Hazlewoods „Summer Wine“ kredenzt und der Geist Nancy Sinatras beschworen. Ein unvergeßlicher Abend.