Hat Bob Dylan Teile seiner Nobelpreis-Rede abgeschrieben?

Findige Autoren haben herausgefunden, dass Dylans Gedanken über Moby Dick verdächtige Ähnlichkeiten mit einer Erläuterung zu dem Literatur-Klassiker auf SparkNotes aufweisen.

Vor wenigen Tagen lieferte Bob Dylan doch noch die gewünschte (und erforderliche) Rede für seinen Literaturnobelpreis. Der Sänger hatte sich der feierlichen Zeremonie im vergangenen Jahr entzogen, nahm aber den Preis nach einem Auftritt in Stockholm von Vertretern der Nobelpreis-Jury entgegen. Doch nur mit der eingereichten Lesung konnte der 76-Jährige auch die versprochenen 900.000 Dollar Preisgeld erhalten.

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In seiner etwas mehr als 30-minütigen Rede erzählte Bob Dylan natürlich nicht nur etwas von den Musikern, die ihn inspiriert haben, sondern reflektierte auch über viele literarische Themen, die zum Teil in seinen Songs eine Rolle spielen, zum Teil aber auch sein Verständnis für das Schreiben von Lyrics entscheidend geprägt haben. Die Rede kam bei Fans und Literaturkennern gut an, sie klang ausgesprochen durchdacht und gut formuliert.

Bob Dylan und Moby Dick

Nur würde sie möglicherweise etwas anders aussehen, wenn sich Dylan dabei nicht möglicherweise Hilfe gesucht hätte. Wie die US-Ausgabe des „ROLLING STONE“ berichtet, könnten nämlich Teile der Rede, in denen es um Herman Melvilles „Moby Dick“ geht, abgeschrieben worden sein. Jedenfalls weisen einige Passagen eine verdächtige Ähnlichkeit mit Erläuterungen zu dem Roman-Monument auf, die von SparkNotes (einer US-Website, die von Harvard-Studenten gegründet wurde und anspruchsvolle Interpretationen und Analysen zu Themen in Literatur, Film und Philosophie bietet) veröffentlicht wurden.

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Dylan hatte zu seiner Lesung keine Quellen angegeben, so dass sein Text auch ihm zugesprochen werden muss. Doch jene Gedanken über „Moby Dick“ sind tatsächlich nur so bei SparkNotes zu finden sind. Slate hat einige Beispiele davon aufgeführt, die tatsächlich deutlich machen, dass sich Sätze bis in Details ähneln – zumindest was die Wortwahl angeht:

Dylan:

„He calls Moby the emperor, sees him as an embodiment of evil.“

SparkNotes:

„…he sees this whale as an embodiment of evil.“

Dylan: „The ship’s crew is made up of men of different races.“

SparkNotes:

„…a crew made up of men from many different countries and races.“

Anscheinend haben einige Dylanologen, die in den letzten Jahrzehnten wohl täglich die Texte von Bob Dylan auf Referenzen abklapperten, um daraus eine neue Sichtweise auf das Werk des Songwriters zu präsentieren, auch seine Nobelpreisrede entsprechend gründlich gelesen. Knackpunkt sind laut „Slate“ vor allem Formulierungen, die in der Abhandlung von SparkNotes über „Moby Dick“ quasi exklusiv sind. So wird in dem Roman keinesfalls von einer „Verkörperung des Bösen“ gesprochen, wenn es um den weißen Wal geht. Aber genau diese Phrase wird von Dylan selbstbewusst verwendet.

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Nun mag erst einmal jeder selbst entscheiden, wie er es mit solchen Plagiatsvorwürfen hält. „Slate“ präsentiert noch einige andere Beispiele, die auf den ersten Blick schlagende Argumente für eine doch eher halbherzige Abschrift für das eigene Manuskript sind. Allerdings ist es nicht ungewöhnlich, für derartige literarische Lesungen Quellen zu verwenden, die dem eigenen Text eine neue Richtung geben. Es dürfte wohl eher unüblich sein, dass Nobelpreisgewinnern ihren Reden ein Quellenverzeichnis anfügen.

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