Hass gegen Promis: Wer für Flüchtlinge kämpft, erntet einen Shitstorm
Der Schauspieler Til Schweiger ist nicht der einzige Prominente, der sich für Flüchtlinge stark macht – und dafür mit Hasstiraden überschüttet wird. Manager raten sogar von dem heiklen Thema ab. Von Julia Friese
„Plötzlich Held“ könnte der Film heißen, den Til Schweiger nun über sich selbst drehen könnte. Er in der Hauptrolle, seine Kinder in Nebenrollen, dazu noch ein fetziger Soundtrack und jede Menge Slapstick. Natürlich macht er das nicht, denn was einen Helden zum Helden macht, ist ja, dass er sich einsetzt für andere, selbstlos.
Und so begann es ja auch, mit einem Post auf Schweigers Facebookseite, ein Spendenaufruf für Flüchtlinge in Hamburg. Eine Zwölfjährige hatte ihn gebeten, ihn zu teilen, weil er doch so viele Menschen erreicht. Der Link gefiel vielen, aber eben sehr vielen auch nicht. Unter dem Aufruf sammelten sich Kommentare wie: „Flüchtlinge sollten doch besser im Mittelmeer ertrinken“, das „Geld der Deutschen“, das sollten sie nicht kriegen. Hetze, Hass und Angst.
Schweiger tat daraufhin das, was er manchmal tut, seiner Wut freien Lauf lassen. „Ihr seid zum Kotzen“, schrieb er auf Facebook. Und mehr noch: „Verpisst Euch von meiner Seite.“ Tage voller Applaus folgten. Später wurde bekannt, er belässt es nicht beim Zurückpöbeln. Er tut auch was. Beteiligt sich am Bau eines Flüchtlingsheims in Osterode, das Ende 2015 öffnen könnte. Übergriffe auf Asylbewerberheime nehmen seit vergangenem Jahr beständig zu. Jetzt handelt endlich ein Prominenter, und dazu noch einer, der ein breites Publikum erreicht, so hört man allerorts.
Shitstorm von Flüchtlingsgegnern
Schweigers Engagement ist wichtig, es ist gut, aber der Einzige, der was tut, ist er nicht. Und auch nicht der Einzige, der dafür Hass abbekommt. Auch Farin Urlaub von den Ärzten hatte im April in einem Post Flüchtlingsgegner kritisiert und sich dafür einen Shitstorm eingehandelt. Und als die „ZDF-Morgenmagazin“-Moderatorin Dunja Hayali auf Facebook einen Beitrag über die Anschläge in Freital postete – keinen applaudierenden, versteht sich –, kommentierte ein Nutzer: „Frau Hayali, Asylschmarotzerhure. Sachsen sind wehrhaft und helle. Stolz auf Freital!“ Und: „Ich werde jeden Tag beten das dz (sic) stirbst du kleine verdreckte Hure mit jüdischen wurzlen (sic). Ich hoffe du wirst geschlachtet wie ein Schwein.“
Hayali sagt, die Quantität solcher Kommentare habe in den vergangenen Monaten zugenommen, und auch die Wortwahl würde immer drastischer. Diesen Menschen mangele es an Bildung, und es seien keine „Fans“, sondern sie gingen gezielt auf ihre Seite, um dort Hass zu verbreiten.
Culcha Candela: Fans dieser Art wollen wir nicht
Auf der Facebookseite der Reggae-Pop-Band Culcha Candela sieht es nicht anders aus. Postet sie eine Petition, um eine Abschiebung zu verhindern, werde sie „massenweise entliked“, sagt ihr Sänger Mateo Jaschik, ein Deutschpole. Fans dieser Art würde die Band nicht wollen. Zurückgepöbelt à la Schweiger hat sie bisher nicht. Anfangs wagte sie noch den Dialog, wenn Nutzer schrieben: „Flüchtlinge kommen nur zu uns, um zu dealen.“ Irgendwann aber hätte die Band gemerkt, es bringe nichts. Diese Menschen wollten gar nicht diskutieren, sie seien blind vor Wut und vor Angst, dass man ihnen etwas wegnehmen könne.
Heute, sagt Jaschik, löschten sie solche Kommentare einfach. Anders könne man das nicht handhaben, wenn man Hass und Hetze keine Plattform bieten wolle. Culcha Candela unterstützt das Projekt „Arche“. Hayali besucht Schulen, um mit Kindern über Rassismus zu reden.
Lauter sein als die Kommentatoren im Netz
In den „Tagesthemen“ forderte die Journalistin Anja Reschke in dieser Woche, es brauche einen „Aufstand der Anständigen“, man müsse lauter sein als die Kommentatoren im Netz. Denn es mag solche Stimmen schon immer gegeben haben – die Organisatoren der Lichterkette in den Neunzigern erhielten anonyme Briefe. Doch heute, und das ist das Neue, ist der Hass nicht mehr anonym. Man schämt sich nicht mehr. Man ist viele. Und man fühlt sich stark.
https://www.youtube.com/watch?v=ph0qbvFU2es
Songs gegen rechts schreiben. Konzerte organisieren. Wie in den Achtzigern
Sänger Mateo Jaschik sagt, er würde sich wünschen, dass erfolgreiche Musiker, solche die viele Menschen erreichen, Songs gegen rechts schreiben. Konzerte organisieren. Wie in den Achtzigern. Wie in den Neunzigern. Udo Lindenberg hat gerade, inspiriert von Freital, einen neuen Song geschrieben: „Komm, wir werden Freunde“.
In schönster Kinderbilderbuchmanier reicht er den Flüchtlingen seine Hand: „Komm, wir werden Freunde, bist jetzt bei uns zu Hause, keiner schmeißt dich je wieder raus.“ Als er ihn vor ein paar Wochen im Berliner Olympiastadion spielte, applaudierte das Publikum minutenlang.
Wo bleibt der singende Schweiger?
Auch Culcha Candela haben politische Songs im Repertoire. Allerdings, sagt Jaschick, würden sie die meist nicht als Single auskoppeln. Eine Single müsse ein Schlüssel sein zum Album, und das solle eben möglichst viele erreichen.
Politische Botschaften sind im Pop derzeit keine Kassenschlager. Also müssen die Kassenschlager ran, um das Publikum zu erreichen. Til Schweiger hat es vorgemacht. Wo bleibt der singende Schweiger der Nation. Helene Fischer? Ihr Management sagt, die Sängerin stehe bis November nicht zur Verfügung. Generell nicht.
Generell gilt leider auch, dass viele Manager ihren Künstlern und Sportlern abraten, sich politisch zu äußern.
Erscheint mit freundlicher Genehmigung der Kollegen von Welt.de.