Erinnerung an Harry Belafonte: Der Mann, den jeder liebte
Der große Sänger und Schauspieler Harry Belafonte war einer der wenigen echten Weltbürger.
Er war berühmt für ein Lied, den „Banana Boat Song“, der 1956 überall ein Hit, aber in einem Land ein Nummer-eins-Hit war: in Deutschland. Damit erklärte Harry Belafonte ein Genre, den Calypso. Und zugleich erklärte er die Welt.
Als Harold George Bellananfanti Jr. wurde er am 1. März 1927 in Harlem als Sohn eines Matrosen aus Martinique und einer Hilfsarbeiterin aus Jamaika geboren. Mit acht Jahren zog er mit seiner Mutter und seinen beiden älteren Brüdern nach Jamaika, war aber Im Zweiten Weltkrieg bei der amerikanischen Marine. Nach dem Krieg begeisterte er sich für die Musik und das Theater. Er sah den den schwarzen Freiheitskämpfer Paul Robeson in einem Theaterstück – daraufhin nahm an dem „Dramatic Workshop“ der New School For Social Research teil, die der deutsche Theatermacher Erwin Piscator leitete. Piscator war eine Legende, und in seinem Lehrgang waren zu jener Zeit Marlon Brando, Tony Curtis und Walter Matthau. Das amerikanische Nachkriegskino.
Belafontes Sympathien waren geteilt: 1950 bekam er einen Plattenvertrag, lehnte kommerzielle Lieder ab und verfolgte seine Leidenschaft für die Folksongs der westindischen Inseln und den Jazz. Der Club Village Vanguard – in dem Barbra Streisand später ihre ersten Auftritte hatte – in Manhattan engagierte ihn. Als Schauspieler bekam er 1955 eine Rolle in dem Film „Carmen Jones“, Otto Premingers Version von George Bizets „Carmen“. 1957 brachte er „Island In The Sun“ heraus, einen weiteren Calypso-Hit. Aber weder die Schauspielerei noch die Musik verfolgte Belafonte konsequent.
Er wurde der Botschafter für Menschenrechte.
Schon in den 50er-Jahren unterstützte er ein Stipendium für Afrikaner, die damit in den USA studieren konnten – ein Stipendiat war der Kenianer Barack Obama Sr., der Vater des späteren Präsidenten. Mit Martin Luther King organisierte Belafonte 1963 den Marsch auf Washington, Charlton Heston in der erste Reihe. Er konferierte mit John F. Kennedy. Harry Belafonte war weltberühmt, und er nutzte die Showbühne, um für seine Anliegen zu kämpfen. Mit Joachim Fuchsberger, den er in dessen Fernsehsendung kennenlernte, war er befreundet. Und er war ein freundlicher, ein interessierter, ein verlässlicher Mann. Der Moderator Peter Urban erinnert sich in seiner Autobiografie daran, dass Belafonte ein Gespräch in den 80er-Jahren am nächsten Tag noch fortsetzen wollte.
Das spätere Projekt „USA For Africa“ war eine Initiative Belafontes, der sich mit dem Plan eines Benefiz-Songs an Michael Jackson, Lionel Richie und Quincy Jones wandte. Sie wurden überzeugt: „We Are The World“ entstand 1985 daraus. Bob Dylan sang mit – Belafonte hatte ihn als jungen Sänger zu Beginn der Sechziger im Greenwich Village gefördert.
Nur selten noch trat Belafonte in Filmen auf. Mit Sidney Poitier spielte er 1971 in dessen Film „Buck And The Preacher“, 1974 wiederum neben Poitier und Bill Cosby in „Uptown Saturday Night“. Er fand Poitier immer besser als sich selbst. Und nahm keine Rollen mehr an. Ausgerechnet der erratische Regisseur Robert Altman holte ihn 1992 für „The Player“ zurück und drehte danach „Pret-A-Porter“ (1994) und „Kanas City“ (1996) mit ihm. Spike Lee engagierte ihn 2018 für „BlacKkKlansman“ – der letzte Auftritt Harry Belafontes in einem Film.
Am allermeisten liebte Belafonte die Anthologie schwarzer Musik seit dem 17. Jahrhundert, die er von 1954 an zusammenstellte: „The Long Road To Freedom“ erschien auf fünf CDs im Jahr 2002. Es hätten 50 oder 500 CDs sein können.
Aber Harry Belafonte war ein Mann des Maßes und der Mitte, ein Künstler der Güte und der Vernunft. Der Mann, den jeder liebte, starb im Alter von 96 Jahren in Manhattan, dem Ort des Weltbürgers.