Warum Kamala Harris und Tim Walz plötzlich Popstars sind

Das demokratische Duo Harris/Walz liegt inzwischen in den Umfragen zur US-Wahl vor Donald Trump.

Das nennt man wohl Synergie: Die US-amerikanische Camp-Popsängerin Chappell Roan, deren Debütalbum „The Rise and Fall of a Midwest Princess“ sie 2023 in Top-Charts-Positionen auf der ganzen Welt katapultierte, teilt sich Merchandise mit dem Wahlkampfteam von Kamala Harris und Tim Walz. Denn eine der mittlerweile ausverkauften „Harris/Walz“-Kampagnen-Mützen orientiert sich in Muster und Font an einer Baseballkappe aus Roans Fanshop, nur dass bei der LGBTQ+-Ikone natürlich nicht „Harris/Walz“ sondern eben „Midwest Princess“ prangte.

Schließlich gibt es kaum etwas Amerikanischeres als Baseballkappen – außer eben jene heißblütige Liebesbeziehung zwischen Politik und Popkultur: Der „The Big Lebowski“-Dude Jeff Bridges hat sich der Kampagne „White Dudes for Harris“ angeschlossen, entsprechende T-Shirts warten schon in den Onlineshops. Weitere big names aus verschiedenen Kultursparten wie George Clooney, Spike Lee, Jamie Lee Curtis, John Legend, Barbra Streisand, Beyoncé oder Cardi B gaben öffentlich ihre Unterstützung für Harris/Walz bekannt.

Joe Biden und Kamala Harris

Verbindung von Politik und Pop nutzt beiden Seiten

Im besten Falle springt für beide Seiten der Beziehung etwas heraus: Als das Team von Kamala Harris im Juli einen Song von Chappell Roan unter ein TikTok legte, wuchsen dessen Streams in Unermessliche. Die britische Popkünstlerin Charli XCX hatte „Harris IS brat“ netterweise bei der GenZ bekannt gemacht – und sich damit umgekehrt ins Bewusstsein der GenX gebracht. Und die „brat“ darf sogar Beyoncés Song „Freedom“ nutzen, Queen B hat’s erlaubt.

Falls also Taylor Swift je die Chuzpe finden würde, öffentlich „Ich habe abgetrieben“ zu gestehen, wie einst die prominenten Frauen auf dem „Stern“-Cover, dann stände das große US-Wahlkampf- und Spaltungs-Thema „Abortion Rights“ auf eine ganz andere Art und Weise zur Debatte. Keine Ahnung, ob Taylor Swift schon einmal abgetrieben hat, selbstredend wünscht man es ihr nicht. Aber eine solche Aussage würde die Erde mehr beben lassen als jedes Swift-Konzert selbst.

Gekreische wie einst bei Elvis

Harris-Walz erleben bei ihrer momentanen Transformation zu amtlichen Popstars ohnehin nur das, was für Trump schon lange Usus ist. Die Trump-Kampagnen vermarkten ihren Kandidaten, der ebenfalls von jeder Menge Prominenten und Popkünstler:innen unterstützt wird, längst als Heilsbringer und Popstar, bei dessen Rallies sich die Anhänger:innen ekstatisch gebären, und grundsätzlich alles bejubeln.

Manche kreischen wie Teenager bei Elvis. (Der übrigens angeblich sowohl Nixon mochte als auch verschiedene liberale Ansichten offenbarte.) Die US-Tradition der Pop-Politik-Beziehung entstand zeitgleich mit der Entdeckung des Teenagers und seiner Kaufkraft. Deutschland dagegen schämt sich zurecht noch immer für seine letzten großen Jubelparaden – die fanden Ende der 30er Jahre statt.

Dass Inhalte zugunsten des Anhimmelns auf der Strecke bleiben können, wenn Namen zu Marken geworden sind, ist dabei zweitrangig. Das menschliche Bedürfnis, zu einer großen Schar Richtigdenkender zu gehören, wiegt stärker. Vielleicht fühlt sich das gespaltene Land dabei vereint – zumindest innerhalb der jeweiligen Gruppe.

Samuel Corum Getty Images
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