„Hanz Hu?!“ So hat Hans Zimmer dem Berliner Publikum gezeigt, weshalb er der populärste Soundtrack-Komponist ist
Zu Beginn seiner Karriere wollte in Hollywood niemand an den Deutschen Hans Zimmer glauben. Heute ist der inzwischen 59-Jährige der begehrteste Komponist der Welt. Jetzt geht er erstmals mit seinen Stücken aus "The Dark Knight", "Rain Man", "Gladiator" und Co auf Tournee. Eine Annäherung in zehn Punkten.
So also toben Batman und Superman durch die Lüfte, so schüttelt uns der Gladiator durch. Leinwandmusik, nur lauter und live. Mit einem Orchester bestehend aus 70 Musikern, einem Chor und seiner Band bereist Hans Zimmer die Welt – und spielt seine größten Soundtracks. Er ist der derzeit populärste Hollywood-Komponist (ob er der beste ist? So etwas kann sowieso keiner entscheiden). Am 20. April trat der 59-Jährige in Berlin auf. ROLLING STONE nähert sich dem Phänomen Zimmer in zehn Punkten an.
1. Die besten Klassik-Musiker sind Frauen, und sie tragen Minirock. Anders kann man sich nicht erklären, dass Hans Zimmer sich im Bühnenvordergrund von weiblichen Orchestermitgliedern einrahmen lässt – und falls das Showbranchengesetz gilt, dass die besten Musikerinnen in die erste Reihe gehören. Vanessa Mae und Lang Lang haben ab den Neunzigern außerdem vorgemacht: Die besten klassischen Musikerinnen und Musiker stammen aus Asien.
2. Das Cello spielt natürlich eine Frau! Wer nicht viel Ahnung von Klassik hat, oder wer sehr viel Ahnung von Klassik hat, der weiß, dass dieses Instrument auf der Bühne von einer Frau gespielt werden muss. Daran hält sich auch Zimmer. Warum muss eine Frau Cello spielen, kein Mann? Das soll was mit Erotik zu tun haben, könnte aber auch einfach nur Voyeurismus bedienen.
3. Hans ist ein echter Showman. Lebt seit Jahrzehnten in Hollywood, hat seine Heimatsprache etwas verlernt, spricht hier aber dennoch deutsch. Knallharte Übersetzungen der englischen Sprache: „Wörter sind nicht genug“, „und hier ist das Gute“. Weiß, dass vor allem sein Name damals in Los Angeles für Lacher sorgte – er ist der erste populäre Hans der Traumfabrik. Damals sollen die Leute gesagt haben: „Hans Who?“
4. Hans macht mit seiner Violinistin den Schulterschluss (siehe Foto oben), wie ihn in der Disco der Spätsiebziger nur Baccara so schön beherrschten. Immer rauf und runter rutschen. Er spielt auch E-Gitarre, und: Er schnallt sie sich selbst an und ab – Stars seiner Größenordnung haben dafür sonst einen Roadie. Zimmer ist also nicht nur ein echter Showman, er weiß auch, wann er selber Hand anlegen muss, damit’s schneller geht.
5. „Die trauernde Frau“ ist die beliebteste Song-Einlage in heutigen Soundtracks. Man hatte den „Gladiator“-Score schon ganz vergessen, da führt ihn uns an diesem Abend eine Sängerin wieder vor. Zimmer brachte um die Jahrtausendwende den fernöstlich klingenden Klagegesang in die Scores ein, Peter Jackson zog dann mit seiner „Herr der Ringe“-Trilogie nach (könnte auch keltisch statt fernöstlich gewesen sein). Sogar Großmeister John Williams kommt um die Trauermusik nicht herum und schmückt seine heutigen Soundtracks mit Klagen, Klagen, Klagen aus.
6. Theater, Theater! Mit Tieren! Als „Fluch der Karibik“ ertönt, marschiert ein Pirat über die Bühne. Auf seiner Schulter: ein Papagei. Der macht stoisch jede Verrenkung, jedes Bücken, jedes Springen mit, verändert nie seine Sitzhaltung. Hoffentlich war der nicht aus Stoff.
7. Zimmers Herz hängt an den Christopher-Nolan-Filmen, ob „The Dark Knight“, „Inception“ oder „Interstellar“. Die schiere Lautstärke seiner anschwellenden Chöre und Fanfaren könnte einem schon Angst machen. Live geht Hans derart ab, dass klar wird, wie viel mehr ihm heute die Action-Scores im Vergleich zu Romantik („Driving Miss Daisy“) und Dramen („Rain Man“) liegen. Irgendwann kennt er kein Halten mehr, intoniert allein am Mikro den unter Fans so geliebten Chor der Gefangenen aus „The Dark Knight Rises“: deshi basara, was auf deutsch so viel heißen soll wie „Erhebe Dich!“
8. Die Leinwand zeigt die berüchtigte Kirchenorgel. Am „Interstellar“-Soundtrack kritisierten manche, die Orgel sei zu laut eingestellt gewesen, habe alle anderen Instrumente verdrängt. Darüber kann Hans Zimmer nur lachen. Die riesigen Orgelpfeifen im Hintergrund erinnern an Mittelfinger, die er seinen Kritikern entgegenstreckt.
9. Johnny Marr bekommt seinen Smiths-Moment. In Berlin ist der Gitarrist der 1987 aufgelösten legendären Band dabei, und er begleitet Zimmer und Orchester bei den Nolan-Suites. Die Smiths-Songs „Never Had No One Ever“ und „Las Night I Dreamt That Somebody Loved Me“ hatte er nie mit Morissey und Kollegen gespielt, hier kann er zumindest ähnliche Akkordfolgen in Zimmers Dramen um Batman und Astronauten einbauen.
10. Man ist ja auf einem klassischen Konzert, und das in Berlin. Ein Wunder, dass keiner am Ende aufspringt und „Maestro!“ ruft. Aber vielleicht war es auch einfach zu laut um solche Worte zu hören – am Ende standen ja alle und haben getobt.
Setlist:
Driving Miss Daisy
Driving
Sherlock Holmes
Discombobulate
Madagascar
Zoosters Breakout
Crimson Tide
Roll Tide
Angels and Demons
160 BPM
Gladiator Medley
The Wheat
Thee Battle
Elysium
Now We Are Free
Da Vinci Code
Chevaliers de Sangreal
Lion King Medley
Circle of Life
Under the Stars
This Land
Pirates of the Caribbean Medley
Singapore
Mutiny
He’s a Pirate
True Romance
You’re So Cool
Rain Man
Rain Man: Main Theme
Man of Steel
What Are You Going to Do When You Are Not Saving the World?
Journey to the Line
The Amazing Spider-Man 2
The Electro Suite
The Dark Knight Medley
Why So Serious?
Fear Will Find You
In remembrance of Aurora
Aurora
Interstellar Medley
Day One
Cornfield Chase
Where We’re Going
No Time for Caution
Stay
Inception Live Medley
Dream Is Collapsing
Mombasa
Time