Hallo, Generation Instagram

Durchbrennen auf Kanadisch: Alvvays lassen mit ihrem Dream-Pop den Rest der Welt hinter sich

Von ihr gesprochen, klingt der Satz noch viel schöner. „Ich trinke nicht mehr so viel wie früher“, sagt Molly Rankin, und ihre Stimme hat etwas von Grunge. Sie sitzt in einem Hotel in Detroit. Von einer vergangenen Zeit hat das etwas. Durch den Schimmer einer Super-8-Kamera aufgenommene Tiefe meint man da zu hören. So, als wäre Molly Rankin sehr bleich und ein bisschen kaputt. Genau richtig kaputt, um diese Musik ihrer Band Alvvays zu machen, die so klingt wie ein Roadtrip durch die Herbstwälder Amerikas. Gerade ist man mit der Liebe seines Lebens durchgebrannt. Hat dem Chef gesagt, dass er der größte Idiot der Welt ist. Und jetzt hat man sich endlich auch getraut, diesem bekloppten Kellner mit dem Schnauzbart und den vielen Tätowierungen zu sagen, dass seine Drinks schon immer furchtbar waren. Man fährt und fährt also. In der linken Hand eine Flasche Heineken Bier und in der rechten Hand die Liebe seines Lebens.

So fühlt sich das an, wenn man das erste Album von Alvvays hört und dann mit Molly Rankin spricht. Gut und befreiend. Verliebt und ein bisschen traurig. Auf ihrem Album lassen Alvvays, ein Quintett aus Kanada, Drachen in den Wäldern steigen, die sich in Baumkronen verheddern. Molly Rankin verliert ihr Herz in einem Fluss. Sie singt von einer Hochzeit, von Unterhaltszahlungen. Sie singt von der Desillusionierung einer Mittzwanzigerin, die an die Liebe, an Melancholie und an die Einsamkeit glaubt. Rankin ist eine, die weiß, was Einsamkeit bedeutet. Sie wächst zwischen Bäumen auf. „Zu Hause wurde man ausgelacht, wenn man ein Rockstar sein wollte. Jeder wusste, dass du im Wald aufgewachsen bist.“ Zusammen mit ihrer Bandkollegin Kerri MacLellan verbringt sie ihre Kindheit in der Provinz Nova Scotia, genauer gesagt: auf Cape Breton Island. „Wir mussten einfach beste Freunde werden. Um uns herum gab es nur den Wald.“ Und außen noch das Meer.

Später zieht sie nach Toronto und arbeitet in einem Krämerladen, den niemand mehr besucht. Einen Winter steht sie hinter der Kasse. Es schneit. Es ist dunkel – und sie ganz allein in diesem Laden. Das war letztes Jahr. „Zu der Zeit habe ich angefangen, für das Album zu schreiben.“ Das innere Exil hört man der Platte an. „Hey, hey, marry me, Archie“, wünscht sie sich. „During the summer take me sailing out on the Atlantic“, ist ihr nächster Wunsch. Und am besten ohne Einladungen, ohne Blumen, ohne so eine blöde Brotbackmaschine als Hochzeitsgeschenk. Es ist also wirklich so. Durchbrennen. Heiraten. Den Rest der Welt hinter sich lassen.

Alvvays, das sind Molly und Kerri und noch drei Jungs. Sie spielen mit der Naivität von Mädchen, die Mitte zwanzig noch an die Art School und viele Zigaretten glauben. Es ist eine selbstbewusste, mündige Naivität, die sie beschwören. Naiv, weil Art School, Rauchen und Durchbrennen die Probleme nicht lösen. Mündig, weil es eine Entscheidung ist, sich diesen Dingen hinzugeben.

„Alvvays“ ist das Polaroid-Album einer Generation, die ihre Erinnerungen eigentlich per Instagram verteilt. Um Molly herum beginnen die Freunde, Kinder zu kriegen, zu heiraten, und sie selbst geht mit ihrer kleinen, romantischen Dream-Pop-Band auf Tour. Während andere eine Karriere entwickeln, drei Unternehmen gleichzeitig gründen, schreibt Molly Stücke darüber, wie es war, als Teenager Tränengas zu schmecken. Alvvays jagen einen Traum, den es längst nicht mehr gibt. Wie der letzte Großwildjäger, der mit dem alten Karabiner Mauser Modell 98 auf einen Tiger hofft, und das schon seit Jahren. Und noch nie hat er etwas geschossen. Und doch steht er jeden Morgen wieder auf, schultert das Gewehr und legt sich auf die Lauer.

„Da draußen geht alles weiter. Und wir gehen auf Tour. Es ist nicht der sicherste Weg, aber es ist unser Weg“, sagt Molly. Wie man das am Ende des Gesprächs hört, da ist das immer noch genau so wie am Anfang. Man ist verliebt und ein bisschen traurig.

DREI VORBILDER

Cocteau Twins: Sängerin Elizabeth Fraser oszillierte zwischen verhuscht und filigran.

The Sundays: Harriet Wheeler klang wie eine Mischung aus Suzanne Vega und Rickie Lee Jones.

Mazzy Star: Somnambul, betörend, bittersüß: Hope Sandoval ist mehr Dream als Pop

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