Haldern Open Air

HALDERN, ALTER REITPLATZ

Sinn und Unsinn von Open-air-Festivals zu erläutern, erscheint müßig: Das Wetter ist meist schlecht, man steht in der Pampe. Wo hier die „besondere Atmosphäre“ steckt, bleibt denjenigen meist fremd, die bodenstete Behausungen einem Zelt vorziehen. Festival-Besucher sind Outdoor-Fredis und erst in zweiter Linie Musikfreunde. Man liebt das Profane. Kunst: Fehlanzeige. Auch das Haiderner Open Air bedient einige dieser Klischees, obwohl die besagte Pampe in diesem Jahr (18. Ausgabe) schnell trocknete und von den Anhängern der Hüpfrock-Combos Blackmail und Krezip, die das Festival auf der Mainstage eröffneten, zusätzlich begradigt wurde.

Daneben lernte man jedoch an den zwei Festival-Tagen im Niederrheinischen auch die Vorzüge solcher Veranstaltungen kennen – dies nicht zuletzt,

weil das Festival relativ klein ist und die Besetzung erlesen war. Dass die Organisation größtenteils ehrenamtlich und von privater Hand übernommen wird, erklärt den besonderen Stellenwert.

Natürlich spielten die meisten Bands ihre greatest hits und natürlich gab es nur wenige Überraschungen, dafür konnte man hier die neueste Welle des Britpop-Hype von Muse über JJ72, die Turin Brakes bis hin zu Starsailor in einem Schwung sehen. Dazu, quasi außer Konkurrenz: Kelis, die mit neuem Material enttäuschte, Mo‘ Solid Gold, Phoenix und Santa’s Boyfriend, die Stimmung machten, mehr aber nicht Kantes Oeuvre zerfiel jenseits der mit hornbebrillten Nerds bevölkerten Indie-Qubs in zwei Teile, wobei überraschenderweise der an Talk Talk gemahnende, experimentelle Teil viel besser ankam als der Eierkopp-Pop, den sie sonst bevorzugt spielen. Beim viel zu kurzen Auftritt von The Divine Comedy offenbarte Sänger Neil Hannon Entertainer-Qualitäten und sorgte mit „Lost Property“ für den schönsten, weil intensivsten Moment des ersten Tages. Der Auftritt der Headliner Muse dagegen war wie ein einziger Kampf: Matthew Bellamys Gesang gegen das Getöse der Musik.

Auch Tag zwei stand ganz im Zeichen des britischen Pop. Den Anfang machten gegen Mittag die Turin Brakes – intim, ohne Band, rein akustisch im Zelt. Ein inspiriertes Set ohne Ausfalle und gewitzte Antworten beim anschließenden „Meet & Greet“ machten sie zu den heimlichen Lieblingen des Festivals.

Auf der Hauptbühne schien vor allem Neil Finn seinen Auftritt zu genießen. Nicht nur, dass er mit seiner hervorragenden Band (mit Lisa Germano) das schönste Set des Festivals hinlegte und aus dem Stehgreif eine Lobeshymne auf den Pizza-Mann zum Besten gab. Songs wie „Anytime“ und das herzzerreißende „Four Seasons In One Day“ zeigten auch, dass Finn einer der besten Pop-Schreiber der letzten 20 Jahre ist und bleibt. Die nachfolgenden Starsailor, die ja – obwohl es noch kein Album von ihnen gibt – bereits Headliner-Status genossen, taten sich danach sichtlich schwer, eroberten jedoch am Ende mit dem hervorragenden „Love Is Here“ und einem an Tim Buckley gemahnenden „The Way Young Lovers Do“ die Herzen. Als Top-Act schaukelten Travis das Ding dann routiniert und enthusiastisch wie immer nach Hause.

Die Bilanz: Wer Erfahrung und ein großes Repertoire hat, wer das Unmögliche schafft und die Masse unterhält, ohne die Fans zu langweilen, besteht die Feuertaufe FestivaL Dass dies auf einem charmanten, kleinen Festival wie dem in Haldern besser funktioniert als bei den großen Mega-Events, überrascht nicht.

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