Gute, alte Melodien und Cover-Versionen: Die Kalifornier CAKE erfreuen mit Witz
Manchen wird es ganz warm ums Herz, wenn Lou Reed „Coney Island Baby“ intoniert – manche stehen eher auf Sinatras „Stormy Weather“. Jon McCrea gehört zur zweiten Kategorie – und statt sich als braver Musiker der 90er Jahre dafür zu schämen, schreibt er lieber einen Song darüber. Und spricht damit rein zufällig einer Million Amerikaner aus der Seele, die prompt in den K-Mart ihres Vertrauens rennen und sich dort ein Album kaufen, das den schrägen Titel „Fashion Nuggel“ trägt, den sich eine Band mit dem delikaten Namen Cake ausgedacht hat.
„Es ist nicht so, daß wir auf Kuchen stehen“, erläutert McCrea mit todernster Miene, „aber das ist ein Wort, mit dem sich viele identifizieren können. Es erinnert sie an ihre Jugend, Geburtstage, an denen Mami Torte gebacken hat. Wenn man das Wort ‚Kuchen‘ hört, hat man einen süßlichen Geschmack im Mund und fühlt sich wohl.“ Ob sich die über Nacht erfolgreichen Kalifornier diese Theorie ausgedacht haben, um auf alle lästige Fragen eine passende Antwort parat zu haben, wird man wohl nie erfahren – denn McCrea, bärtiger Sänger von Cake, der als Kopfbedeckung seltsam schlabberige Hüte favorisiert, ist ein Meister des undurchdringlichen Pokerface.
Die Annahme, daß Cake sich und den Rest der Welt nicht sonderlich ernst nehmen, liegt nahe und macht das Quintett (inklusive Trompeter Vincent Di Fiore) aus Sacramento nur sympathischer. „Fashion Nugget“ ist Cakes zweites Album, denn „Motorcade Of Generosity“ erschien nur in den USA, aber wird hoffentlich bald auch in Europa veröffentlicht „Unser Debüt war noch ein wenig schroffer, aber das Konzept war von Anfang an da“, meint McCrea.
Konzept? „Fashion Nugget“ ist eher ein bunter Haufen traurig-melancholischer Pop-Songs, die alle irgendwie vom Leben handeln. Dort, wo andere nur das Blumenbeet betrachten, werfen Cake einen Blick unter die Grasnarbe. So handelt etwa „The Distance“ von einem Rennfahrer, der lange nach dem Ende des Rennens noch seine Runden dreht. „Er macht sich etwas vor, verdrängt, was in seinem Leben wirklich abgeht, indem er sich an etwas verliert, das er total unter Kontrolle haben kann“, beschreibt McCrea den Kontext des Songs.
Cake begnügen sich nicht mit, nun ja, tiefsinnigen Inhalten, sondern untermalen sie mit Melodien, die kein Gran Traurigkeit enthalten. Ihren Höhepunkt erreicht diese Methode der Tragikomik in einer geradezu ehrfurchtgebietenden Version von Gloria Gaynors Disco-Schlager „I Will Survive“. Mit wohldosierter Trompeteneinlage und McCreas stolpernder Depri-Stimme verwandelt sich der Wutausbruch Gaynors in ein lässiges nugget. „Der Song an sich ist doch großartig. Wir haben ihn einfach aus seinem Disco-Kostüm gepellt und dann nachgesehen, was noch übrigbleibt. Ich finde, er bekommt so eine ganz neue Bedeutung, die für Männer genauso gilt wie für Frauen. Das Stottern soll die Zweifel und Unsicherheit unterstreichen.“ McCrea, der neben seiner Sinatra-Vorliebe ein Country & Westernapcionado ist, ließ es sich nicht nehmen, ins Obskuritätenkabinett zwei weitere Fundstücke aufzunehmen, darunter „Sad Songs And Waltzes“ seines Idols Willie Nelson. „Musik dreht sich immer um Melodien. Die Brigade zorniger Grunge-Bands hat sie lärmend zerstört. Vielleicht mögen uns die Leute für die guten, alten Melodien.“