Gut verträglich
Ed Kowalczyk und seine Band Live haben es sich in ihrer Nische bequem gemacht - mit "Naivität, die an Irrsinn grenzt"
Geduld ist nicht Ed Kowalczyks Stärke, aber notfalls kann er auch warten. Seit fast einem Jahr ist das neue Album von Live, „Songs From Black Mountain“, schon fertig, jetzt wird es endlich veröffentlicht. Der Plattenvertrag mit Sony hat viel Zeit gekostet, man wollte sich schließlich nicht lumpen lassen. In seinen Songtexten referiert Kowalczyk gern über Gott, die Welt und die Liebe, aber als Geschäftsmann ist er auch recht gewieft. Live gibt es immerhin seit 18 Jahren, mehr als ein halbes Leben für den Sänger. Er wußte, daß er von einem neuen Label einiges erwarten kann: „Ich bin mit Rockbands aufgewachsen, die Popsongs schreiben – und so mache ich das auch. Insofern haben es Plattenfirmen mit uns leicht. Wir werden viel im Radio gespielt, weil wir verträgliche Drei-Minuten-Stücke mit Refrains haben. Das gefällt Labels gewöhnlich.“
Nicht gar so einfach haben es die Bandkollegen mit Kowalczyk, denn er ist eindeutig der Chef. „Für mich ist es heute leichter, in einer Band zu sein – allerdings ist es sicher schwieriger, mit mir in einer Band zu sein! Ich habe genauere Vorstellungen, will mehr bestimmen. Aber wir sind ein tolles Team – ich bin der Stürmer, die anderen sind die Verteidiger.“
Gern bemüht er diese Mannschafts-Metapher nicht, aber sie paßt halt so gut. Und genau wie manch Profi-Sportler hat auch manch Rockstar ein Problem damit, erwachsen zu werden. „Zu Beginn unserer Karriere hat Jerry Harrison (Ex-Talking Head, der das Live-Debüt „Mental Jewelry“ produzierte) zu mir gesagt, ich solle vorsichtig sein: Wenn man direkt von der Highschool zu einer Rockband kommt, dann dauert die Adoleszenz viel länger als normalerweise. Ja, ja, Jerry. Aber als ich 30 wurde, stellte ich fest, daß er natürlich recht hatte. Dauernd kümmert sich jemand um einen, da wird man kaum erwachsen. Erst vor zwei Jahren ist mir das einigermaßen geglückt – und jetzt habe ich zwei Kinder, die mich wieder an die Unschuld erinnern, die ich mal hatte. Auch daran, wie geheimnisvoll das Leben ist – und daß man es nicht zu ernstnehmen sollte. Rockband und Kinder, das hält doppelt jung.“ Er lacht laut darüber, daß er die Gesetze des Alterns ausgetrickst hat.
Kowalczyk nimmt das Leben nicht ernst? Seine salbungsvollen Texte, die sich auch auf den manchmal schleppenden, oft dramatischen „Songs From Blacks Mountain‘ wieder aneinanderreihen, legen diesen Schluß nicht gerade nahe. Die Stücke heißen „Love Shines (A Song For My Daughters About God)“, „Mystery“ oder „Where Do We Go From Here?“. Der Sänger hat kein Problem mit Pathos. „Ich sehe das inzwischen als meine Nische, ich darf das wohl. Viele wollen genau das von Live—den Mut, die Naivität, die an Irrsinn grenzt. Genug Menschen haben mich lange genug damit durchkommen lassen.“