Gunter Blank geht trinken: Ebbelwoi de luxe
Noch kein Massenhype – aber hochwertig hergestellte Apfelweine und Ciders finden immer mehr Liebhaber, obwohl Qualität durchaus ihren Preis hat
„Old habits die hard“, heißt es zu Recht – und eben so erging es dem Verfasser bei der Cider-Verkostung auf dem Obsthof von Andreas Schneider. Obwohl er wusste, dass es sich hier um einen edlen Tropfen handelte, der mit rund
20 Euro ausgepreist war, stürzte er das erfrischend perlende Getränk hinunter, als wäre es ein Schoppen sauer gespritzter Ebbelwoi. „Kann man machen, besonders wenn es so heiß ist“, meinte Schneider nonchalant und schenkte nach. „Aber eigentlich sollte man unsere Apfelweine genießen wie einen guten Sekt oder Weißwein.“ Bei behutsamerer Verkostung offenbarte der aus dem Kaiser-Wilhelm-Apfel gewonnene Trunk komplexe Frucht- und Brioche-Aromen, die es vorstellbar machen, ihn nicht nur als Durstlöscher, sondern auch als Begleitung zu Weißfisch, Maultaschen oder Kalbsbraten zu servieren.
Der 54-jährige, inzwischen mit Preisen überhäufte Schneider gilt, seit er die Obstplantage am Nordrand von Frankfurt 1993 von seinen Eltern übernahm und sie auf biologischen Anbau umgestellt hat, als Pionier der Ebbelwoi-Veredelung. Er hat Apfelarten wie den Heuchelheimer Schneeapfel oder die Doberaner Renette vor dem Aussterben bewahrt und keltert sie zu Weinen und Ciders. Die hohen Preise rechtfertigt er mit der Seltenheit der Sorten und dem Alter seiner Bäume, denn je älter ein Baum, desto gehaltvoller die Früchte. „Ich habe auch günstige Schoppenweine im Angebot“, sagt er, „aber meine Bäume sind zum Teil dreißig Jahre alt, und ein Wildling vom Löss kostet eben 25 Euro, weil nur noch 21 alte Bäume existieren und er nur alle zwei Jahre trägt.“ Wem das dennoch zu teuer ist, dem kann man zum Einstieg eine Rote Sternrenette für 13,50 Euro pro Flasche empfehlen.
Sicher kann man darüber streiten, ob das Preis-Leistungs-Verhältnis im Vergleich zu einem Riesling den Erwartungen standhält. Aber die 15.000 Flaschen, die Schneider im Jahr produziert, bringt er problemlos an den Mann. Sogar in Sapporo schwören sie auf seine „Stöffche“. Denn edle Apfelweine sind in. Egal ob in der Normandie, in Asturien und im Baskenland, vor allem aber in England haben junge Genussmenschen Cidre, Sidra, Sagardotegi und Cider längst als leichte Alternative entdeckt und für einen Boom gesorgt, der langsam auch in Deutschland ankommt und Apfelbauern wie Andreas Schneider und Apfelwinzer wie Jens Becker in den Fokus rückt.
Als nach dem Zweiten Weltkrieg das Verbot erging, aus Früchten alkoholische Getränke zu gewinnen, war es mit der Apfelweinkultur erst einmal vorbei
Letzterer betreibt seit dreizehn Jahren seine Apfelweinhandlung JB in Sachsenhausen, dem Herzen der deutschen Ebbelwoi- Kultur. „Die alten Apfelweinhersteller haben gelacht, als ich erzählt habe, ich wolle Jahrgangsweine machen und für 8,50 verkaufen“, erinnert sich der Quereinsteiger, der eigentlich aus dem Marketing kommt, aber schon mit seinem Opa Apfelwein gekeltert hat. Inzwischen brummt sein Geschäft. Er keltert entweder sortenrein oder als Cuvées. „Mit den Cuvées kann ich sicherstellen, dass vor allem meine Ciders einigermaßen gleich schmecken, denn die Ernten können je nach Wetter schon ziemlich verschieden ausfallen“, sagt Becker. Getrunken wird aus einem großen Weißweinglas. Die beste Trinktemperatur liegt zwischen zehn und zwölf Grad, der Alkoholgehalt zwischen vier und neun Prozent. Einsteigern empfiehlt er seinen JB German Cider für etwa 11 Euro, Fortgeschrittenen den stillen Boskoop-Apfelwein für 9,50.
Man unterscheidet zwischen Stillwein und dem auch Perlwein genannten Cider, dazu kommt der nach der Méthode champenoise hergestellte Apfelschaumwein. „Früher hieß er sogar Apfelchampagner“, erklärt Becker, „und war bis zum Ende des 19. Jahrhunderts nicht weniger geschätzt.“ Als nach dem Zweiten Weltkrieg das Verbot erging, aus Früchten alkoholische Getränke zu gewinnen, war es mit der Apfelweinkultur erst einmal vorbei. Als das Verbot fiel, schwang Heinz Schenk den Bembel, der „Blaue Bock“ wurde zum Synonym für deutsche Spießigkeit.
Aber damit ist es nun vorbei. Denn sogar in Sachsenhausen haben immer mehr Lokale nicht nur den klassischen
Schoppen, sondern auch edle Stöffche auf der Karte.