Gunter Blank geht trinken: Der Qualitätsschub des deutschen Sekts
Dank innovativer Winzer wird unser Sekt immer besser
Ein paar Jahre Erfahrung fehlen uns vielleicht noch“, sagt Tobias Knewitz vom Weingut Knewitz. „Dann können wir vielleicht nicht mit den absoluten Topmarken, aber mit den allermeisten Champagnern mithalten.“ In die Champions League der Schaumweine aufsteigen sozusagen, denn mit derselben Sorgfalt und Liebe, die Tobias und sein Bruder Björn ihren Weinen angedeihen lassen, produzieren die beiden seit einigen Jahren einen fruchtigen Riesling Brut und einen Chardonnay Brut Na ture, dessen knochentrockenes, mineralisch-würziges Aroma sich tatsächlich schon neben manchem Champagner behaupten kann.
Ihr Nachbar Christian Runkel vom Weingut Bischel, der ebenfalls einen fruchtigen Riesling Brut herstellt, sieht das ähnlich und will das heimische Terroir betonen: „Beim Riesling-Sekt geht es um Frische, Frucht und Lebendigkeit, um das für Riesling typische Pfirsich-Aprikosen-Aroma – aber Perlage und Geschmack sind sicher nicht weniger fein.“
Die beiden Winzer aus dem rheinhessischen Appenheim stehen beispielhaft für eine wachsende Schar von – oft jungen – Winzern zwischen Kaiserstuhl und Markgräferland im Süden und Ahr und Mosel im Norden, die neben ihren regional typischen Weinen auch mit nach der Méthode Champenoise hergestellten Schaumweinen punkten. Die Zeiten, als man sich auf WG-Partys von Faber Halbtrocken und Rotkäppchen einen dicken Schädel holte, sind längst vorbei. Zu Preisen zwischen 10 und 20 Euro pro Flasche kann man das gesamte aromatische Spektrum erkunden.
Ohne auch nur ansatzweise einen Überblick über die ausufernde Sektproduktion zu besitzen, empfehlen wir aus eigener und eigenfinanzierter Trinkerfahrung neben den drei Appen heimern den in seiner Kategorie zum Sekt des Jahres 2021 gekürten 2018 Blanc de Noirs Brut Tradition aus dem Weinhaus Griesel in Bensheim, den 2018 Endinger Engelsberg Pinot Rosé Brut des Weinguts Knab aus Endingen am Kaiserstuhl und den Pinot Chardonnay Doktorgarten Ex tra Brut des Staatsweinguts Freiburg – allesamt für zum Teil deutlich unter 20 Euro.
Obwohl der Begrif „Winzersekt“ damals als Qualitätsmerkmal in Mode kam, wurden nicht immer die besten Trauben verwendet
Am Anfang dieser Entwicklung stand Volker Raumland, der die deutsche Sektherstellung auf ein anderes Level hob und heute über Deutschlands wohl prestigeträchtigstes Sekthaus gebietet. 1981, erinnert er sich, habe er während des Studiums an der „Wein-Uni“ Geisenheim aus 100 Litern Wein seinen ersten Sekt gemacht – im Grunde war ihm da schon klar, dass er nichts anderes mehr wollte. 1984, zeitgleich zum Boom der damals chic werdenden sogenannten Edelmarken wie Henkell und Mumm, gründete er sein eigenes Unternehmen und revolutionierte die deutsche Sektproduktion.
Obwohl der Begrif „Winzersekt“ damals als Qualitätsmerkmal in Mode kam, wurden nicht immer die besten Trauben verwendet. Raumland hingegen setzte auf Qualität, experimentierte so lange, bis er die geeigneten Lagen, die richtigen Trauben und Herstellungsmethoden gefunden hatte, und steht seit Anfang des Jahrtausends relativ unangefochten an der Spitze der deutschen Schaumweinproduzenten.
Seine nach seinen Töchtern Marie-Luise und Katharina benannten Cuvées wurden zu Klassikern. Schon bald galt er auch als Mentor aufstrebender Jungwinzer. „Volker Raumland hat auch mir ungeheuer viel vermittelt, man kann viel von ihm lernen, vor allem, Fehler zu vermeiden“, sagt Jens Windisch vom Weingut Werther Windisch in Mommenheim. „Um einen guten Sekt herzustellen, brauchst du Einbildungskraft. Der Wein schmeckt erst mal schrecklich, hat nur wenig Alkohol, dafür aber viel Säure – das muss man abschätzen, damit nach vier oder fünf Jahren Gärung etwas Trinkbares herauskommt.“
Da Windischs Liebe der Silvaner-Traube gilt, war es fast zwangsläufig, dass er neue Wege beschreiten würde. Obwohl aus der Silvaner-Traube außerhalb Frankens selten Schaumweine gewonnen werden, keltert er aus seiner Lieblingstraube ohne Zuckerzusatz einen Dosage- Zéro-Sekt, der mit einem wunderbar trockenen, vollmundigen und nach Brioche duftenden Aroma auf der deutschen Sekt-Landkarte seinesgleichen sucht.