Gunter Blank geht trinken: Burgunder – die rote Diva
Bei Burgunder denkt man zuerst an Frankreich. Inzwischen kommen aber auch aus Deutschland exzellente Pinot-noir-Weine
Wennsch se zahle kannsch, kannsch se net trinke, ond wennsch se trinke kannsch, kannsch se net zahle“, so bündig fasste das Winzer-Urgestein Hanspeter Ziereisen einmal das Dilemma der oft überteuerten französischen Burgunder weine aus der berühmten Region zwischen Dijon und Lyon zusammen. Tatsächlich ist die Region in viele kleine Weingüter zersplittert, deren Weinberge, so charakteristisch sie sein mögen, oft ganz unterschiedliche Qualitäten liefern. Für Außenstehende ist es schier unmöglich, sich in der verwirrenden Terminologie zurechtzufinden, denn die
Klassifikation einer Lage sagt noch nichts über die Qualität aus, sondern nur, welches Potenzial für einen Wein besteht. Ob die Winzer dieses auch ausschöpfen, steht auf einem anderen Blatt. So kann ein mäßiger Winzer sich mit einer guten Lage schmücken und satte Preise aufrufen, wenn seinem Kollegen dort ein bemerkenswerter Wein gelungen ist.
Nicht nur deshalb trifft es sich gut, dass sich seit einigen Jahren vermehrt auch deutsche Winzer um die Erzeugung hochwertiger Spätburgunder bemühen und den Freunden der Pinot-noir-Traube eine günstigere, dafür aber streng qualitätskontrollierte Alternative anbieten.
„Ein paar Jahre wird es schon noch dauern, bis wir mit den besten Weinen aus dem Burgund mithalten können“, sagt Christian Runkel vom rheinhessischen Weingut Bischel, „aber zu verstecken brauchen wir uns schon lange nicht mehr. Außerdem war unsere Gegend schon immer ein Rotweingebiet. Der wurde hier seit Karl dem Großen angebaut.“ Der 40-Jährige begeistert sich neben der Rieslingproduktion seit gut zehn Jahren vermehrt auch für den Spätburgunder. „Das ist im Grunde die Königsdisziplin des Weinbaus“, erklärt er in weichem Dialekt. „De Bino“, wie er ihn fast zärtlich nennt, „ist die Diva unter den Weinen, für den muss man sich richtig ins Zeug legen, der verzeiht dir nix. Da muss jede Traube perfekt sein, die Gärung, die Auswahl des Fasses, der Ausbau. Ein ganz schön langer Weg.“ Deshalb produzieren sie von ihrem Spitzenwein, dem Pinot Reserve, nur zwischen 1000 und 1500 Flaschen pro Jahr.
Aber auch die preisgünstigeren Weine zählen in ihrer Preisklasse zur Elite der deutschen Spätburgunder. „Man muss sich schon einiges an Wissen und Erfahrung angeeignet und vor allem auch angetrunken haben“, sagt Runkel, der ein akribischer Feinhandwerker, aber auch ein lebensfreudiger Genussmensch ist, verschmitzt. Dass er und sein Bruder Matthias ihr Handwerk nicht nur auf der Weinuniversität im nahen Geisenheim gelernt, sondern auf Dutzenden von Weingütern in aller Welt verfeinert und perfektioniert haben, davon zeugen in der Probierstube etliche ausgetrunkene und hübsch aufgereihte Weinflaschen.
„Zimmertemperatur“ stammt aus einer Zeit, in der es in deutschen Stuben und Sälen noch deutlich frischer zuging
Neben dem Flaggschi Pinot Reserve, dem das Fachmagazin „Falsta “ eine exzellente Mischung aus erdig und mineralisch, herb und schokoladig attestiert, produzieren die Bischel-Jungs, wie man sie in der Szene nennt, vor allem zwei Sorten Spätburgunder aus ersten Lagen, die achtzehn Monate im Fass lagern: den leicht mineralisch schmeckenden Appenheimer, der von jüngeren, derzeit zehn bis fünfzehn Jahre alten Reben stammt und sich deshalb etwas wilder gebärdet, und den etwas strengeren Gau-Algesheimer, dessen Reben doppelt so alt sind, was ihn etwas leiser, aber auch würziger macht.
Beide kann man durchaus jung trinken, aber erst nach fünf und mehr Jahren beginnen sie ihre ganze Pracht zu entfalten. Ungeduldigen empfiehlt Runkel deshalb ihren ebenfalls handverlesenen Gutswein, der schon nach zwölf Monaten Fassausbau für um die zehn Euro in den Handel kommt und nicht nur Einsteigern eine gute Vorstellung der Bischel’schen Winzerphilosophie vermittelt. Sofern man ihn nicht, wie hierzulande leider häufig der Fall, zu warm trinkt. „Ein Spätburgunder soll kühl getrunken werden, maximal sechzehn Grad“, gibt uns Christian Runkel zum Abschied mit auf den Weg und erinnert daran, dass die Empfehlung „Zimmertemperatur“ aus einer Zeit stammt, in der es in deutschen Stuben und Sälen noch deutlich frischer zuging.