Gunter Blank geht essen: Was für Grillen mit Holz im offenen Feuer spricht

Schamanischer Kult: Grillen im offenen Feuer und mit Holz statt mit Holzkohle wird immer beliebter – und eröffnet neue Dimensionen

Feinschmecker und solche, die sich dafür halten, begegnen dem Grillen oft distanziert, wenn nicht hämisch, halten das Rösten von Steaks und Würstchen über heißer Glut für primitiv und modernen Garmethoden nicht ebenbürtig. Auch der Verfasser neigte bislang eher dieser Fraktion zu, wenngleich er einen geselligen Grillnachmittag mit schlichten Würstchen, Nackensteaks, Coleslaw und Kartoffelsalat durchaus zu schätzen weiß.  Allein, die Vorstellung, man könne einer Lammkeule oder gar einem Thunfischsteak am Grill eine ähnlich zärtliche Behandlung zukommen lassen wie in der Küche, erschien ihm zweifelhaft, ja abwegig.

Ins Wanken geriet das Dogma erst kürzlich, als ein für seinen feinen Gaumen berühmter Freund stolz seine mit Holz betriebene Feuerplatte präsentierte. Zwar sah das Ding aus wie eine Hightech-Öl- Tonne für obdachlose Banker, tatsächlich aber ermöglicht die auf einem Fass montierte Edelstahlplatte, die im Zentrum bis zu 400 Grad heiß werden kann, zum Rand hin aber gleichmäßig abkühlt, ein punktgenau- es Garen auch von empfindlichen Produkten wie Garnelen oder Presa Ibérica.


Zumal mit Holz statt mit Holzkohle zu grillen voll im Trend liegt. Um das Garen mit Feuerplatte, Feuerkorb, Kamado-Grill und Pellet-Smoker hat sich ein veritabler Kult entwickelt, dem mit archaischer Leidenschaft und wissenschaftlicher Akribie gehuldigt wird. Es wäre einfach, diese Begeisterung für das Feuer als Angstblüte alter weißer Karnivoren abzutun – dazu sind seine Protagonisten und das, was sie anzubieten haben, zu spektakulär. Gerade erst wurde der Asador Etxebarri des baskischen Kochs Bittor Arginzoniz für seine Grill- und Räucherkünste auf Platz 3 der 50 weltbesten Restaurants gewählt. Darüber mag man streiten, aber die komplexen Gluttechniken haben mit dem klassischen Würstchengrillen nicht mehr viel gemein.

Der Mainzer Edelmetzger Ludwig Maurer und der Küchenexperte Heiko Antoniewicz haben den Trend aufgegriffen und versuchen in ihrem umfassenden Kompendium „Fine Dining, Grill & BBQ“ das Beste aus beiden Welten zu vereinen. Ausführlich stellen sie Vor- und Nachteile der verschiedensten Gerätschaften vor, analysieren, bei welchen Temperaturen das jeweilige Grillgut besonders gut gelingt und welche Hölzer sich am besten eignen. Nadelhölzer sind generell zu harzig und eignen sich nur zum Anfeuern. Buche und Eiche kommen infrage, noch besser aber ist das Holz von ausgedienten Obstbäumen, das ein milderes Aroma verleiht.

Wie früher den Skinheads und Hardcore-Fans nichts hart genug sein konnte, legen auch die Freunde der sengenden Hitze ihr Grillgut gleich ins lodernde Feuer

Kern dieses künftigen Standardwerks ist der fast enzyklopädische Rezeptteil. Vom kalt geräucherten Thunfisch über die goldbraun geröstete Wachtel bis zum bei 80 Grad im Knochen blitzgeschmorten Mark decken die Autoren das gesamte Temperaturspektrum ab und warten zu- dem mit spektakulären Kreationen wie sanft gegrillten Sonnenblumenböden zu einem kurz sautierten Entenbries auf.

Manchen indes ist die subtile Vermählung von Grill und Avantgarde-Küche schon wieder zu verweichlicht. Wie früher den Skinheads und Hardcore-Fans nichts hart genug sein konnte, legen auch die Freunde der sengenden Hitze ihr Grillgut gleich ins lodernde Feuer. „Open Fire Cooking“ nennt man diesen Kult, und ihr Guru ist der Argentinier Francis Mallmann, der auf einer kleinen Insel in Patagonien auf ein Kreuz gezogene Rinderhälften röstet.

Diese schamanische Art der Essenszubereitung für fleischvernarrte Argentinier findet auch hierzulande Nachahmer. Dazu werden große Fleischbrocken direkt in die Glut des Feuers gelegt, bis sich eine mit Asche überzogene Kruste bildet. Darunter verbirgt sich ein saftig gegartes Super- steak. Da man ein solches auch durch schonendere Zubereitungsformen bekommen kann, fällt es schwer, darin einen über die Steinzeiterfahrung hinausweisenden Sinn zu erkennen. Da halten wir es lieber mit unserem liebsten Sternekoch, dem Chef del Mar Ángel León, der seinen Austern – die man in seiner Bistro-Taverne in El Puerto de Santa María für kleines Geld bestellen kann – über einer Glut von Olivenkernen ein wunderbar mildes Raucharoma beschert

Hoberman Collection Universal Images Group via Getty
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