Bild von Gunter Blank
Gunter Blank geht essenKolumne

Gunter Blank geht essen: Das satte Gelb der Zitrone

Zwei üppig bebilderte Bände huldigen dem englischen Avantgarde-Magazin „The Gourmand“ und mischen Kunst und Kulinarik.

Glaubt man der Rock-Legende, musste bei Led-Zeppelin-Konzerten backstage stets ein Korb Zitronen bereitstehen, damit Robert Plant sich vor dem Auftritt eine in die Hose stopfen konnte, um sein Gemächt größer wirken zu lassen.

Nachlesen kann man diese Anekdote in dem vom Taschen-Verlag mit sicherem Gespür für das Gute und Schöne herausgegebenen Band „Lemon“, der zusammen mit seinem Zwilling „Eier“ wiederum eine Hommage an eine der
aufregendsten Zeitschriften ist, die sich auf dem austrocknenden Markt nicht nur behaupten, sondern seit dreizehn Jahren stetig wachsen.

Man müsste mal ein cooles Feinschmeckermagazin machen, dachte sich 2011 das Londoner Designer-Duo David Lane und Marina Tweed und gründete mit typisch britischem Stilwillen „The Gourmand“, das indes weniger an geläufige Gourmetmagazine erinnerte als an die avantgardistischen Zeitschriftenprojekte der Achtziger, wie „The Face“
und „The Wire“. Entsprechend wichtig ist den beiden Designern das grafische Erscheinungsbild ihres halbjährlich veröffentlichten und stets schnell vergriffenen Magazins, das sich neben den üblichen Rezepten mit allen Ecken des
kulinarischen Universums beschäftigt.

Kulturgeschichte von Ei und Zitrone

Wer nie eines der spektakulären Hefte ergattern konnte, kann sich nun an den beiden Bänden erfreuen, die mit nicht weniger spektakulären Illustrationen in diversen Essays eine kleine Kulturgeschichte der Zitrone respektive des Eis liefern. So entsteht ein unterhaltsamer Streifzug durch die Genres, akribisch wird die Bedeutung des Eis bei der Entstehung des modernen Möbeldesigns und die der Zitrone in „American Psycho“ herausgepuzzelt, und natürlich als männliche wie weibliche Geschlechtsorgane gleichermaßen symbolisierende Metapher in der Popmusik.

Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Gleichwohl ist es bei der Zitrone eher die Farbe, die die Kreativen zu allen Zeiten inspirierte, während beim Ei natürlich die perfekte Form anspricht und – einigermaßen erstaunlich – auch die industrielle Verpackung. Wobei Pierre Cardins von einer Eierpalette inspiriertes CardineKleid von 1968 und die einen Sechserkarton kopierende Clutch Bag von Chanel aus dem Jahr 2014 allenfalls als geschmackliche Entgleisungen in Erinnerung bleiben.

Optisch und überhaupt ergiebiger war zu jeder Zeit der Umgang mit der Zitrone. Durch die Jahrhunderte ließen sich nicht nur Maler von ihrem satten Gelb faszinieren. Die Beispiele reichen von Giovanna Garzonis „Stillleben mit einer Schüssel Zitronen“ aus dem Jahr 1640 über Ed Ruschas „Lemon Drops“ (1962) und Warhols „Space Fruit: Lemons“ (1978) bis zu Bobby Dohertys brandneuem „Lemon Curd On Toast“ von 2023.

Am originellsten indes erscheint immer noch Joseph Beuys’ „Capri-Batterie“, eine durch eine Zitrone betriebene knallgelbe Glühbirne von 1985, nicht zu verwechseln mit Capri Gold, dem Cocktail, den Sophia Loren 1955 in „Pane,
amore e …“ („Liebe, Brot und 1000 Küsse“) schlürft und den man heute besser unter dem Namen Limoncello kennt.

Rezept für den perfekten Limoncello

Wer sich jetzt angesichts der ungezählten Limoncello-Verbrechen falsch verstandener Pizzerien-Gastlichkeit mit Grausen abwenden will, möge innehalten. Die Autoren haben nicht nur die Ursprünge des umstrittenen Getränks ausgegraben, sie liefern auch das amtliche Rezept, mit dem bei etwas Geduld ein ganz hervorragender
Likör gelingt.


Mehr Texte von Gunter Blank geht essen


Dazu muss man die Zesten von drei großen Amalf-Zitronen mit einem halben Liter Grappa oder Wodka
übergießen und das Ganze in einem luftdicht verschlossenen Gefäß ins Gefrierfach stellen. Nach zwei Monaten den Saft einer Zitrone, einen Viertelliter Wasser und 375 Gramm Zucker in einem Topf so lange erhitzen, bis der Zucker aufgelöst ist. Abkühlen lassen und zu der Zitronen-Alkohol-Mischung geben. Durchrühren und ein paar Stunden stehen lassen. Durch ein feines Sieb gießen und in sterilisierte Flaschen abfüllen. Eine Woche an einem dunklen Ort reifen lassen, dabei immer mal wieder durchschütteln.

Nun kann man den Limoncello trinken oder im Gefrierschrank lagern, wo er weiter eindickt und zu Weihnachten einen erfrischenden Digestif ergibt.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates