Gunter Blank geht essen: Brust oder Keule
Von Sankt Martin bis zu den Feiertagen: Die Vorweihnachtszeit steht bei vielen im Zeichen des Gänse- und Entenbratens.
Polnisch oder deutsch, frisch oder gefroren: es naht die Weihnachtszeit, und wer auf Gänsebraten schwört, sollte sich spätestens jetzt Gedanken machen, wo das gute Stück herkommen soll.
Wahre Gänsebratenprofs haben natürlich längst beim Biobauern ihres Vertrauens eine Gans bestellt, meist gleich bei Abholung im Vorjahr. Alle anderen, die nicht rechtzeitig dran sind, müssen mit dem vorliebnehmen, was der Markt noch zu
bieten hat – und das ist am Ende dann meist eine tiefgefrorene polnische ungewisser Herkunft.
Erinnerungen an weihnachtliche Gänseessen bei einer resoluten Freundin legen nahe, dass man es ab Mitte Dezember besser bleiben lassen sollte, denn was man dann bekommt, notiert irgendwo zwischen schwierig zu kochen und unmöglich zu essen. Besagte Freundin nämlich lud jedes Jahr regelmäßig bereits Ende Oktober mit einer Bestimmtheit zum Festschmaus, die wenig Raum für Absagen ließ.
Sie versäumte es allerdings ebenso regelmäßig, sich rechtzeitig um eine gute Gans zu kümmern, wühlte kurz vor Ladenschluss hektisch in der Tiefühltruhe und sorgte so jedes Jahr aufs Neue für tränenreiche Dramen, denn der arme Vogel war natürlich zäh und auch mit den vereinten Ratschlägen nicht mehr zart zu bekommen.
Rezept für Gänsebraten
Leider, denn eigentlich stellt der klassische, mit Salz, weißem Pfefer, Beifuß und (wildem) Majoran gewürzte und mit einer Farce aus Brötchen, Ei, Apfel, Zwiebel und der Leber gefüllte Gänsebraten rezepttechnisch selbst für Gelegenheitsköche keine unbewältigbare Herausforderung dar: Sechs Stunden bei 80 Grad im Rohr, danach noch kurz auf Höchststufe kross grillen und, ganz wichtig, anschließend bei 70 Grad 20 Minuten ruhen lassen.
Die Crux liegt wie gesagt in der Produktqualität. Was die Rasse angeht, so haben die Franzosen hier mal wieder die Nase vorn.
Obwohl die Gans nachgewiesenermaßen bereits im 13. Jahrhundert in Friesland (kurz darauf auch in Pommern) gezüchtet wurde und als „Emdener Gans“ ein spätmittelalterlicher Exportschlager war, gilt bei Feinschmeckern inzwischen die
auch schon seit dem 15. Jahrhundert bekannte Toulouser als Nonplusultra guten Geschmacks.
Wichtiger als die Herkunft allerdings ist das Alter des Tiers: Es sollte eher jung sein. „Acht Wochen“, heißt es schon bei den Gebrüdern Grimm, als Hans im Glück sein Schwein für eine Gans eintauscht, neun gelten inzwischen, wissenschaftlich untermauert, als optimal.
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Darf es stattdessen ein Entenbraten sein?
Wem das Risiko eines verdorbenen Festtags dennoch zu hoch ist, der kann alternativ auf einen Entenbraten setzen, der ebenso gut zu Klößen und Rotkohl passt und um einiges leichter zuzubereiten ist. Wer Wert auf allererste Qualität legt, sollte sich ein Tier aus dem nahe Rouen gelegenen Örtchen Duclair, zumindest aber eine Rouennaiser besorgen. Wer es
ethisch verantworten kann – die Franzosen sind, wenn es ums Kochen geht, bekanntlich nicht zimperlich –, kann aus
dem Nachbarland einen „Canard au sang“ importieren, die werden nicht geschlachtet, sondern erstickt, wodurch das Blut
im Körper verbleibt, was das tiefrote Fleisch wunderbar zart und saftig macht.
In Deutschland, wo nicht zu Unrecht das Tierwohl höher wiegt als der Genuss, ist diese Art der Schlachtung schon lange verboten. Was einen nicht grämen sollte – auch die heimischen Peking- und Flugenten liefern, sorgfältig zubereitet, herrliche Mahlzeiten. Während die Pekingente ihren Weg über England und die USA nach Deutschland fand und heute die am weitesten verbreitete Art ist, stammt die auch als Barbarie bekannte Flugente ursprünglich aus Südamerika und gilt der
Pekingente ihres dunkleren und saftigeren Fleisches wegen als überlegen.
Wer indes auch zum Festtag im Exzess schwelgen möchte, kann sich ein Southern Style Turducken bauen: Truthahn, Ente und ein junges Hähnchen werden entbeint, mit Salz, Pfefer und Kräutern gewürzt und dann ineinandergestopft, mit grober Bratwurstmasse gefüllt, dann sechs Stunden lang bei 80 Grad im Ofen gegart und schließlich kurz kross gegrillt.
Guten Appetit!