Gunter Blank geht essen: Die Crux mit der Erdbeere
Den Fleischkonsum zu reduzieren ist aller Ehren wert – aber was ist mit Obst und Gemüse? Einige Beispiele aus Spanien.
Ein bisschen ist es wie in einem Horrorfilm. Es ist da, wir alle spüren es, weigern uns aber dennoch, die Probleme konsequent anzugehen. Die Kassiererin bei Edeka schlussfolgerte neulich während eines Plauschs kurz vor Ladenschluss: „So wie’s aussieht, werden wir demnächst im Winter wohl wieder Kraut und Rüben essen müssen, ich kann nicht sagen, dass ich davon begeistert bin.“
Tatsächlich aber kann niemand mehr davon ausgehen, dass der Nachschub an Tomaten, Paprika, Avocados, Orangen und vor allem Erdbeeren auch im Winter ungebremst Richtung Norden rollen wird. Die Rede ist von der sich in Europa ausbreitenden Dürre, anders formuliert: von der immer mehr zur Bedrohung werdenden Wasserknappheit, die uns früher oder später zwingen wird, nicht nur unsere Heiz, sondern auch unsere Ernährungsgewohnheiten und vermutlich auch die ökonomischen Parameter der EU radikal zu ändern.
Denn das ernährungsindustrielle Modell, in welchem der europäische Süden Arbeitsplätze und Einkommen generiert, indem er den Norden ganzjährig mit vitaminreichem Obst und Gemüse versorgt, ist an sein Ende gekommen. Solange es immer gerade ausreichend geregnet hat, dass die Felder bewässert werden konnten, haben alle davon profitiert, aber nun beschleunigt der Klimawandel den Kollaps des schon lange auf dem Raubbau an den Wasservorräten basierenden Systems.
Olivenöl wird drastisch teurer werden
Längst geht es nicht mehr nur um die zwar äußerst gesunde Avocado mit ihrem horrenden Wasserverbrauch – in Spanien etwa sieht sich fast die gesamte Mittelmeerregion von der Dürre herausgefordert. Mit Müh und Not und unter Ausbeutung der knapper werdenden Wasserressourcen wird derzeit die Gemüseproduktion, die zu achtzig Prozent in den Export geht, aufrechterhalten. Ob Paprika, Zucchini, Auberginen und Zitrusfrüchte auch in naher Zukunft noch gedeihen werden, ist angesichts des seit zwei Jahren ausbleibenden Regens fraglich.
Ein erstes Opfer hat die Dürre bereits gefordert. Die Olivenölproduzenten klagen über verschrumpelte Früchte, die nur noch einen Bruchteil des üblichen Öls hergeben. Spanisches Olivenöl wird sich deshalb künftig signifikant verteuern. Das Problem existiert schon seit zehn Jahren, seit im Gefolge der Finanzkrise zwischen Sevilla und Jaén immer mehr Orangenplantagen entstanden, die zwar profitabler sind, aber deutlich mehr Wasser verbrauchen und den Olivenbäumen schon damals massiv Wasser entzogen. Nun droht einmal mehr ein Olivenkrieg. Noch drastischer verläuft der Konflikt in der Provinz Huelva an der andalusischen Atlantikküste: Dort droht der Erdbeeranbau einen der größten Naturschutzparks Europas zu zerstören.
Die Doñana, im Westen Andalusiens in der Provinz Huelva gelegen, ist nicht nur das natürliche Habitat von Flamingos, Kaiseradlern und Luchsen, sie bot bislang auch unzähligen Wandervögeln einen zuverlässigen Rastplatz. Seit Jahren ist dieses Reservat akut bedroht, weitläufige Lagunen sind zu kümmerlichen Pfützen geschrumpft, die Tierpopulation ist deshalb drastisch zurückgegangen. Der Grund ist simpel: Durch illegale Brunnen wird der Doñana sukzessiv das Grundwasser entzogen. Die Provinz Huelva produziert achtundneunzig Prozent der spanischen Erdbeeren, das waren im vergangenen Jahr über dreihunderttausend Tonnen, etwa dreißig Prozent des EU-Verbrauchs.
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Einhundertsechzigtausend Arbeitsplätze hängen direkt oder indirekt davon ab. Kein Wunder, dass der konservative Partido Popular versprach, die illegalen Praktiken zu legalisieren, und damit bei den Regionalwahlen Anfang des Jahres einen Erdrutschsieg im einst roten Andalusien einfuhr.
Das zeigt, dass die romantische Lösung, die beim Spargel problemlos funktioniert, nämlich sich auf den Genuss der heimischen Erdbeeren in den Sommermonaten zu beschränken und im Winter auf die Importe zu verzichten, allenfalls ein Teil der Lösung sein kann. Denn das hieße, hundertsechzigtausend Menschen in einer strukturschwachen Region ohne nennenswerte Alternativen die Existenzgrundlage zu entziehen. Auch ohne die dann drohende Populismusgefahr kein wirklich schöner Gedanke.