Gunter Blank geht essen: Prima Klima für Trauben
Champagner gilt natürlich als Getränk für große Anlässe und Feierlichkeiten – man serviert ihn jetzt aber auch zu Burger und Currywurst.
Die Franzosen haben es auch nicht leicht. Klimakrise und sinkende Weinnachfrage bedrohen nicht nur ihren geliebten Bordeaux, sondern inzwischen die gesamten Anbaugebiete südlich von Lyon. Gleichwohl produzieren die Winzer munter weiter, sodass sie schon im vergangenen Jahr vier Millionen Hektoliter vernichten, sprich in Essig und Ethanol umwandeln mussten. Eine Schmach für die weinverliebte Grande Nation.
Ganz Gallien scheint unmittelbar vom Untergang bedroht. Ganz Gallien? Nein! Eine kleine Region trotzt allen Widrigkeiten, passt sich den neuen Verhältnissen an und versucht sogar ihren Absatz zu steigern. In der Champagne nämlich profitieren die Winzer derzeit dank der nördlichen Lage von den höheren Temperaturen.
„Die Klimaerwärmung bringt in der Champagne aktuell wunderbare Trauben hervor“, sagt Elise Losfelt, die Kellermeisterin von Charles Heidsieck. „Allerdings“, schränkt Sébastien Crucifx ein, „wird es künftig schwieriger sein, Säure im Champagner zu finden. Aber das lässt sich durch einen sorgfältigen Ausbau korrigieren.“
Crucifx betreibt in Avenay-Val-d’Or ein vergleichsweise kleines Gut, legt großen Wert auf biologischen Anbau, baut seine Weine in Holzfässern aus und nutzt den Umstand, dass seine Trauben rascher reifen, größer werden und einen höheren Alkoholgehalt ergeben. Die höhere Qualität der Trauben ermöglicht es ihm, sich auf die Spitzenprodukte Brut und Brut Nature zu konzentrieren, deren Zuckerzusatz, die Dosage, gegen null geht. „Früher war es für uns kaum möglich, solche Produkte zu produzieren, denn die Trauben waren oftmals nicht von solcher Qualität.“
Während die Standard-Champagner großer Häuser, weil sie ein verlässlich gleich schmeckendes Produkt für den Massengeschmack anbieten müssen, oft eine Dosage von über fünf Gramm aufweisen, arbeiten immer mehr kleinere Winzer daran, die Dosage so gering wie möglich zu halten. Der Schweizer Genuss-Journalist Peter Jauch hat sich dieser neuen Tendenzen angenommen, die Champagne bereist, zahlreiche Winzer und Experten interviewt und präsentiert nun seine Erkenntnisse rechtzeitig zum Fest in einem opulenten, „Champagner“ betitelten Bildband.
Der Klimawandel verändert die Champagner-Produktion
Und tatsächlich ist unübersehbar, dass der Klimawandel die rasch wachsende Zahl kleiner Häuser, die zwischen zehn und siebzigtausend Flaschen im Jahr herstellen, begünstigt. Viele Nachkommen jener Weinbauern, die früher ihre Ernte an die großen Häuser verkauften, nutzen die gestiegene Qualität ihrer Trauben und kreieren eigene Marken. Viele verlegten sich auf biologischen Anbau und sorgen so für eine bisher nicht gekannte Vielfalt, indem sie ihr besonderes Terroir, die je individuelle Bodenbeschafenheit, die früher in der Champagne nur in den absoluten Spitzenlagen eine Rolle spielte, in den Vordergrund rücken.
Damit treffen sie den Nerv der Zeit, denn auch der Geschmack der Konsumenten hat sich in den letzten Jahren verändert. Die wissen heute individuelle Charaktere zu schätzen und versuchen dem Anlass entsprechend den passenden auszuwählen. Die Winzer reagieren darauf mit differenzierten Produkten und offerieren die drei
Haupttraubensorten Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier, nicht nur pur als Blanc de Blancs und Blanc de Noirs, sondern auch als Cuvées in den unterschiedlichsten Variationen, Weiß oder Rosé.
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Parallel dazu bemüht die Branche sich, die Konsumoptionen zu verbreitern. War Champagner früher großen Anlässen und ausschweifenden Partys vorbehalten, geht die Tendenz nun dahin, ihn vor allem als Essensbegleitung zu etablieren. Zu Meeresfrüchten gilt er fast schon als Standard, genauso gut funktioniert er aber zu Fisch, Gefügel und, wenn er kräftiger daherkommt, auch zu rotem Fleisch sowie zu vielen asiatischen Gerichten. Ganz Ausgefuchste empfehlen ihn sogar zu Burger, Pizza und Currywurst.
So weit würden wir nicht unbedingt gehen, wir empfehlen aber für die Feiertage, einmal ein Champagnermenü zu servieren: einen Blanc de Noirs etwa zu rohen Jakobsmuscheln, einen Blanc de Blancs zu einem Tintenfsch-Risotto oder einem Kalbsragout und zum Dessert einen Rosé Cuvée aus Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier.