Guns N’Roses: von der Gosse ins Penthouse – 30 Jahre „Appetite for Destruction“
"Appetite For Destruction" war – neben „Born In The USA“ und „The Joshua Tree“ – DAS Rockalbum des Jahrzehnts: eine dieser Platten, auf die sich notfalls alle einigen können. Und das liegt nicht an den Frisuren oder Tätowierungen oder am eher albernen Slogan von der „most dangerous band in the world“. Nein, es liegt natürlich an den unvergesslichen Songs. Birgit Fuß über das Jubiläum des Klassikers.
Es gab nichts Cooleres, als im Sommer 1987 mit einem Guns N’Roses-Aufnäher auf der Jeansjacke, die wir Kutte nannten, herumzulaufen. Das wusste damals nur leider keiner, also wurde ich dauernd gefragt, ob dieses Pistolen-und-Rosen-Logo nicht etwas billig aussähe – von Leuten, die das Iron-Maiden-Maskottchen Eddie verherrlichten oder den Metallica-Spitznamen Alcoholica lustig fanden. Heute will es keiner gewesen sein, aber damals hielten nicht wenige Menschen Guns N’Roses für eine durchschnittliche Hardrockband, deren Debüt auch nicht viel besser ist als das von Faster Pussycat. Im „Metal Hammer“ bekam „Appetite For Destruction“ 1987 drei von sieben Punkten, man empfahl, lieber „Electric“ von The Cult zu kaufen.
30 Jahre später ist alles anders. Guns N’Roses spielen wieder in ausverkauften Stadien, die Tournee heißt augenzwinkernd „Not In This Lifetime“, und inzwischen weiß jeder, dass „Appetite For Destruction“ – neben „Born In The USA“ und „The Joshua Tree“ – DAS Rockalbum des Jahrzehnts war: eine dieser Platten, auf die sich notfalls alle einigen können. Und das liegt nicht an den Frisuren oder Tätowierungen oder am eher albernen Slogan von der „most dangerous band in the world“.
Nein, es liegt natürlich an den unvergesslichen Songs: Vom Anfangsschrei in „Welcome To The Jungle“ über die Rauschgeschichten von „Nightrain“ und „Mr. Brownstone“ bis zur Hymne „Paradise City“ und dem Stöhnen von „Rocket Queen“ ist „Appetite“ eine einzige Abfolge von Hits. Kein anderes Album beschreibt so stimmig ein Leben zwischen Rockclubs und Striplokalen, inmitten von Dealern und leichten Mädchen, in einer Wolke aus Haarspray und Whiskeydunst. Und Liebeslieder hatten sie auch noch – vor allem „Sweet Child O’Mine“, mit dessen Riff sich Slash schlagartig unsterblich machte.
Der unerhörte Erfolg von Guns N’Roses ist auch eine klassische Märchengeschichte von fünf Jungs, die es mit rauem und doch unwiderstehlich eingängigem Hardrock von der Gosse ins Penthouse schafften. Nichts Neues eigentlich: Aerosmith und Alice Cooper standen Pate, und an der Ostküste legten Twisted Sister bereits seit Ende der 70er-Jahre Make-up auf, aber in Los Angeles fand der sogenannte Glam-Metal dann sein natürliches Zuhause. Auf dem Sunset Strip wüteten Mötley Crüe, W.A.S.P., Ratt und Poison, doch keine Band konnte das wilde Leben so überzeugend in Songs umsetzen wie GN’R. Das Personal stimmte einfach.
W. Axl Rose, ein Landei aus Indiana, war so ehrgeizig wie neurotisch – und sein keifender Gesang jederzeit wiedererkennbar. Slash, ein sanfter Wuschel, spielte in der Tradition von Keith und Joe Perry schön schmutzig, Eigenbrötler Izzy Stradlin verstand ebenso viel von großen Melodien. Zwei Blondinen rundeten das bunte Gesamtbild ab: Bassist Duff McKagan war schlauer, als er aussah, aber ein Drogenwrack wie Schlagzeuger Steven Adler. Hätten sich Guns N’Roses nicht gefunden, man hätte sie erfinden müssen. Sie widmeten „Appetite“ den „teachers, preachers, cops and elders who never believed“. Mehr als ein Jahr nach der Veröffentlichung, im September 1988, stand es schließlich auf Platz eins der US-Charts, und plötzlich hatten alle immer an Guns N’Roses geglaubt.
Nur die Band selbst begann schon zu zweifeln. Vier Jahre später implodierte sie.