Guns N‘ Roses, Christina Aguilera, Elton John und Co: Privatshows bei russischen Oligarchen

Mit dem Krieg in der Ukraine kommen plötzlich Fragen zur Geldgier einiger Superstars auf

Die diskreten Bande zwischen den Größen des Rock’n’Roll und dem Großen Geld gelten seit langer Zeit als offenes Geheimnis. Immer wieder gab es spektakuläre Privatkonzerte; so spielten die Rolling Stones vor der Investment-Division der Deutschen Bank. Booker erzählen von exquisiten DJ-Clubgigs bei Ölscheichs. Ein diskretes Geschäft.

Die Kollegen vom amerikanischen ROLLING STONE haben nun nachgelegt und die Zusammenhänge dieses uncoolen Komplexes in Interviews und Recherchen dokumentiert.

Angesichts des Krieges in der Ukraine erinnert sich Bassist Tommy Stinson an seine Bühnenzeit mit den Replacements oder Guns N‘ Roses. „Wir haben an sehr seltsamen Orten gespielt“, sagt er und denkt dabei an eine 2010er-GN’R-Show für ein russisches Energieunternehmen. „Dass wir SOWAS gemacht haben“, sagt Stinson heute. „Was zum Teufel war nur in uns gefahren?“

Pop-, Rock- und Hip-Hop-Acts haben in den USA seit Jahrzehnten hohe Summen kassiert, wenn sie auf Firmen- oder Privatpartys auftreten. Seit den 2000er Jahren existiert eine ähnliche Schattenwirtschaft auch in Russland oder auf fernen Trauminseln, die dem dortigen Oligarchentum gehören.

Dokumentiert sind siebenstellige Gagen für VIP-Hochzeiten und Firmengalas. Kassiert haben GN’R, Elton John, Red Hot Chili Peppers, The Killers, Jennifer Lopez, Prince, Robbie Williams, Amy Winehouse oder Sting.

Vor dem Ukraine-Konflikt galten diese Showgigs schlicht als zusätzliche Einnahmequelle. Eine US-Branchenquelle schätzt, dass jedes Jahr zwei oder drei von Oligarchen finanzierte Shows stattfanden. „Wir kannten die Hintergründe und den Reichtum. Es ist halt eine Branche, in der es ums Geld geht“.

Im Jahr 2005 soll Christina Aguilera zwei Millionen Dollar für einen Auftritt auf der Hochzeit des russischen Milliardärs Andrej Melnichenko kassiert haben. Aktuell führten Sanktionen der Europäischen Union zur Beschlagnahmung seiner 500 Millionen Euro teuren Yacht. Der Düngemittel- und Kohlebaron gehört zum einflussreichsten Kreis russischer Geschäftsleute.

Zwei Jahre später bekam George Michael drei Millionen Dollar für eine Silvestershow beim russischen Tycoon Vladimir Potanin, der als reichster Mann des Landes gilt. Im Gegensatz vieler seiner Kollegen wurde Potanin bisher nicht von der EU oder den USA sanktioniert.

Putin sah sich Deep Purple an

Im Jahr 2008 traten Tina Turner und Deep Purple in einer Show auf, mit der das 15jährige Bestehen von Staatskonzern Gazprom gefeiert wurde. Putin besuchte das Konzeptfestival. Es kursieren unterschiedliche Berichte, wie lange er für Deep Purple blieb. Die 2010er-Show von Guns N’Roses im Moskauer Filmstudio Mosfilm wurde von Alexander Tschistjakow bezahlt, dem damaligen stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Federal Grid Company, Russlands größtem staatlichen Netzbetreiber. „Es hätte nicht peinlicher sein können“, sagt Stinson. „Ein Haufen betrunkener Partytypen, die froh waren, dass wir spielten. Ich habe zwar keine vergoldeten Toiletten gesehen, doch ich bin mir sicher, dass sie irgendwo da waren.“

Jetzt gibt es eingefrorene Bankkonten, beschlagnahmte Jachten. „Niemand will darüber sprechen“, sagt eine Branchen-Quelle. Alle angefragten Künstler und russischen Tycoons verweigerten jeden Kommentar oder reagierten erst gar nicht auf Anfragen des ROLLING STONE.

Konzerte auch nach dem Einmarsch in die Ukraine 2014

Sting

Auch nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Jahr 2014 hörten die diskreten Auftritte nicht auf. Im Jahr 2016 spielten Sting und Jennifer Lopez bei der Moskauer Hochzeit von Said Gutseriev, dem Sohn des mit Sanktionen belegten russischen Ölmilliardärs Michail Gutseriev. Die megateure Hochzeit beinhaltete eine 12 Fuß hohe Hochzeitstorte und eine mit Blumen verzierte Decke im Ballsaal. Als Abschiedsgeschenke erhielten die Gäste mit Juwelen besetzte Schachteln. Während ihres Auftritts scherzte Lopez, dass das Schwierigste, was sie heute tun musste, darin bestand, zu lernen, wie man die Namen der Braut und des Bräutigams ausspricht.

Ein Jahr später traten Elton John und Mariah Carey bei der Hochzeit einer Enkelin des russischen Milliardärs Valery Kogan auf, der Miteigentümer des Moskauer Flughafens Domodedovo ist.

Seit Beginn des Krieges haben einige Musiker ihre Beteiligung zugegeben: „Kein Oligarch in Großbritannien, Russland oder sonst wo ist in der Lage, einen Auftritt, eine Hochzeit oder eine Party zu buchen“, kommentierte Sting kürzlich die alten Laufwege. „Diese Zeiten sind vorbei.“ Nach der Absage eines bevorstehenden Konzerts in Russland verkündete auch Roger Glover von Deep Purple kleinlaut und eher schwammig, „genau wie viele andere Künstler auch haben wir gelegentlich Privatkonzerte für Fans in verschiedenen Ländern gegeben.“

Aktuell ist auch das Geschäft mit den Privatkonzerten eingefroren. Der Krieg in der Ukraine hat es „degoutant“ gemacht vor Oligarchen zu spielen. „Wir erhalten Anfragen nach großen Namen von einigen schattigen Leuten dieser Region, und wir löschen sie einfach“, sagt ein führender US-Veranstaltungs-Booker. Ein Manager mehrerer prominenter Rockbands ergänzt: „Zum jetzigen Zeitpunkt würde ich keinem meiner Kunden raten, in Russland aufzutreten. Egal; wie hoch die Gage ist, das war einfach nur schrecklich …“

Gary Miller Getty Images
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