Grüße aus Wolken-Kuckucksheim
Der kanadische Violinist Owen Pallett erkundet mit seinem Soloprojekt Final Fantasy fremde, fiktionale Welten
Owen Pallett hat das neue Album seines Soloprojektes Final Fantasy „He Poos Clouds“ genannt – „Er kackt Wolken“. Ein Anwärter auf den schlechtesten oder besten Albumtitel aller Zeiten, wie man’s nimmt. „In meinem Freundeskreis kam die Idee sehr gut an“, erklärt Pallett, „alle fanden es irgendwie niedlich – aber bei den Interviews mit heterosexuellen Pressevertretern wurde mir klar, dass das in der Mainstream-Kultur anders aufgenommen wird.“
Sein Selbstverständnis als schwuler Künstler ist Pallett sehr wichtig. Da steht er momentan nicht alleine da, Künstler wie Rufus Wainwright, Antony & The Johnsons oder die Hidden Cameras haben in den letzten Jahren auch manch homophoben, konservativen Rockkritiker und Musikfan auf die Kokospalme gebracht. „Ein schwuler Künstler zu sein bedeutet weitaus mehr, als nur über Geschlechtsidentität zu singen“, erklärt Pallett, der auch eine Zeit lang bei den Hidden Cameras mitfiedelte. „Ein Homosexueller muss sich irgendwann entscheiden, ob er er ein .normales‘ Leben mit Frau und Kindern führen oder seinen Neigungen nachgehen will.
Da steht eine sexuell motivierte Entscheidung gegen eine traditionell motivierte Entscheidung. Wenn man sich für das Ausleben seiner Sexualität entscheidet, zeigt man zugleich der Tradition den Mittelfinger – und das schlägt sich dann natürlich auch in der Kunst nieder. Egal, ob etwa bei den Sparks, die ja häufig über heterosexuelle Beziehungen singen und Homosexualität nie thematisieren, bei Huggy Bear oder gar bei Queen: Man hört der Musik an, dass es sich hier um schwule Künstler handelt, weil ihr Ansatz sich gegen die tradierten musikalischen Regeln wendet.“
Auch Palletts Musik steht formal gegen althergebrachte Poptraditionen. Und sei es nur, weil es keine Gitarren, keine Keyboards und kein Schlagzeug gibt, sondern alle Songs ausschließlich von Streichern gespielt werden. Verwendete er auf dem letzten Album „Has A Good Home“ noch loops und spielte fast alles alleine, sorgt dieses Mal ein Streichquartett für einen größeren, organischen Sound. Trotzdem ist „He Poos Clous“ weit davon entfernt, prätentiöse Kunst zu sein. Es ist Pop verquer, wie die Werke von John Cale, Kate Bush oder David Bowie. Ein philippinischer Mädchenchor sorgt für Momente, die klingen, als spielten die späten Beatles ein Stück von Yoko Ono.
Auch textlich ist „He Poos Clouds“ weit entfernt vom gängigen Poplyrik-Mix aus Posen und Pimpern. Der Künstler beschreibt das Album als „eine atheistische Erklärung magischer Phänomene“. Aha.
„Auch wenn man nicht an eine höhere Macht glaubt, ist es wichtig, so zu tun als ob“, erklärt Pallett. „Selbst, wenn man an Religion nur aus anthropologischer Sicht interessiert ist, man Musik als größte Bereicherung empfindet oder sich die Welt über Bücher erschließt es handelt sich in jedem Fall um eine Fiktion. Ich habe mir die Welt aus „Dungeons & Dragons“ angeeignet, weil mich das als Fiktion interessiert hat, und ich versuche, von dort auf die Realität zu blicken.“ Anders gesagt: Die Songs folgen nicht den Regeln der Zehn Gebote oder des Korans, sondern denen der acht Schulen der Magie aus einem Rollenspiel. „Es sind reale Ereignisse, reale Orte – aber verlegt in eine fiktionale, magische Welt. Im letzten Song des Albums erscheint mir dann eine Sagengestalt, die mich bittet, nicht mehr über diese nichtexistierende Welt zu singen.“
Hier wird von einer Welt erzählt, die ständig Veränderungen unterworfen ist, in der nichts sicher ist, die Protagonisten ständig ihre Identitäten in Frage stellen – kein schlechtes Bild für unsere Gesellschaft in Zeiten sozialer Beschleunigung. „Das ist natürlich die Idee hinter der Magie: die Welt zu verändern, sich selbst zu verändern – oder eine andere Person zu verändern. Es geht um die Zerstörung des Bestehenden. Magie ist an sich sehr gewalttätig.“ Gut, dass das alles nur eine Fiktion ist.