Große Stille
Die Cowboy Junkies covern auf ihrem neuen Album Songs des verstorbenen Vic Chesnutt.
Vor einem Jahr überraschte die kanadische Band Cowboy Junkies mit der Ankündigung, vier Alben in eineinhalb Jahren veröffentlichen zu wollen – ein erstaunliches Pensum für die sonst gemachen Geschwister Michael, Margo und Peter Timmins. „The Nomad Series“ begann mit einem recht experimentellen Album über eine chinesische Stadt, 2011 folgen ein Werk mit psychedelischem Blues und eines mit ganz normalen neuen CJ-Liedern. Doch zuerst erscheint am 18. Februar „Nomad Series 2 – Demons“, ein Album mit Songs von Vic Chesnutt. Die Platte ist eine Hommage an den Toten (Chesnutt starb 2009 infolge einer Medikamentenüberdosis), aber kein Lamento. Die Cowboy Junkies und Chesnutt kannten sich von zwei Tourneen und haben 2007 für das Remake von „The Trinity Session“, dem legendären Album von 1988, zusammengearbeitet. Von enger Freundschaft mag Michael Timmins nicht sprechen, lieber von Bewunderung für den Menschen und sein Werk. Wir bewundern beides: die Lieder von Chesnutt und den langsamen, ruhig atmenden Klang der Cowboy Junkies.
Mr Timmins, was ist Ihre schönste Erinnerung an Vic Chesnutt?
Wir spielten eine Show in Brighton, in einem wunderschönen Club, wie eine Kirche. Vic sang mehrere Songs in einem hohen Falsett, fast ohne Instrumente – er spürte einfach, wie besonders der Raum und seine Stimme klangen. Die Leute verstanden erst nicht, aber dann waren sie völlig in seinen Bann geschlagen. Ich erinnere mich, wie ich dasaß und begriff, wie besonders der Moment war.
Chesnutts Lieder sind oft sehr gebrochen und durchlöchert, während sie bei Ihnen flächiger und zugänglicher wirken. War das Ihr Konzept?
Wir könnten seine Lieder niemals angehen, wie er es tut. Doch seine Eigenart macht es vielen Menschen schwer, sein Material kennenzulernen. Da kommen wir ins Spiel, wir bauen eine Brücke. Mit dem Album wollten wir ihn möglichst vollständig widerspiegeln. Mit einigen seiner erzählenden Songs, einigen der psychologischen Sachen, auch mit Liedern über den Tod, von denen er so viele geschrieben hat.
Nach dem Album „Renmin Park“ ist „Demons“ das zweite Album der „Nomad Series“. Es ist ein bisschen schwer, das Konzept zu erkennen.
Ja, für uns auch (lacht). Wir arbeiten oft rückwärts: Erst machen wir eine Kiste drum, dann kommt der Inhalt hinein. Am Ende werden wir wissen, worum es bei der „Nomad Series“ geht. So zu arbeiten, hilft uns beim Denken und gibt uns ein Ziel – wir alle haben doch jede Menge Material in unserem Unterbewusstsein, das nach und nach an die Oberfläche kommt.
In der öffentlichen Wahrnehmung werden Sie oft auf „The Trinity Session“ reduziert, eine mehr als 20 Jahre alte Platte. Ärgert Sie das?
Es hat uns manchmal sogar sehr geärgert. Sie können sich nicht vorstellen, wie viele Plattenfirmen-Leute uns gesagt haben, wir sollten doch einfach noch so eine „Trinity“-Platte machen. Das war schlimm.
Trotzdem haben Sie vor einigen Jahren ein Remake des Albums gemacht.
Wir näherten uns dem 20. Geburtstag des Albums, und wir wollten etwas damit anfangen. Es ist ja unsere Platte! Wir können mit ihr machen, was wir wollen. In diese Kirche zurückzugehen, das war ein sehr intensives Erlebnis. Fast so intensiv wie beim ersten Mal.
Apropos Kirche: Wie verbringen die Familien Timmins Weihnachten: gemeinsam oder unbedingt getrennt?
Manchmal fragt man uns, wie wir als Geschwister so lange zusammenarbeiten können, und wir sagen immer: Das eine ist die Band, das andere die Familie, dazwischen verläuft eine klare Linie. Wir alle haben Kinder, also gibt es Cousinen, Onkel und Tanten. Wir sehen uns ziemlich häufig, auch Weihnachten.
Und dann werden Weihnachtslieder gesungen?
Keine Weihnachtslieder (lacht)! Wir machen keine Musik, wenn wir uns als Familien treffen. Das ist die andere Seite der Medaille. Wir haben zu Hause sowieso überhaupt nie Hausmusik gemacht.
Sind Sie eigentlich genau wie Ihre Lieder, so still und langsam?
Ich befürchte, ja (lacht) – wir sind alle eher ruhig und introspektiv. Aber mehr noch höre ich in unserer Musik etwas grundsätzlich Kanadisches. Da gibt es ein Element, das man auch bei Cohen, Mitchell und anderen Songwritern von hier findet. Kanada ist ein sehr, sehr ruhiges Land, sobald man die Städte verlässt.