Große Klappe – die erste!
Film-Regisseur Uwe Boll hat mit Grips und Tricks ein Trash-Imperium aufgebaut. Und bekommt von Game-Fans Prügel angedroht, weil er ihre Spiele verfilmt
Es gibt nicht viele Filmemacher, die ihre Kritiker zum Boxkampf herausfordern – um ihnen bei der Gelegenheit schön die Fresse zu polieren. So etwas macht nur Dr. Uwe Boll. „Raging Boll“, wie er seit dem Event in Vancouver letztes Jahr genannt wird. Computerspiel-Fans kennen ihn, weil kein anderer Regisseur so viele Spiele verfilmt hat wie der42-jährige Hansdampf aus Wermelskirchen.
Unter Cineasten ist der promovierte Literaturwissenschaftler und filmische Autodidakt dagegen weniger bekannt. Sein dritter Film „Amoklauf“ war zwar 1994 für den Max-Ophüls-Preis nominiert – seitdem hat Boll nicht mehr viel Kritikerlob bekommen. Auf der Internet Movie Database rangieren gleich drei seiner Werke unter den hundert schlechtesten Filmen aller Zeiten.
Mutig also, dass jetzt drei Filme des Regisseurs tast gleichzeitig in die Kinos kommen: Die Satire „Postal“ setzt auf derbe 9/11-Späße und infantilen Nazi-Jux. „Seed“ ist extrem harter Horror im Geiste von Lucio Fulci und Tobe Hooper, das mit Ray Liotta, Burt Reynolds und Jason Statham opulent besetzte Fantasy-Spektakel „Schwerter des Königs“ (Budget: 60 Millionen Dollar) ist dagegen sonntägliches Familienkino.
Boll hat in seine Villa geladen, etwas außerhalb von Mainz. Der Garten verwildert, der Kühlschrank fast leer – man merkt, dass Boll die letzten Monate in Vancouver war, wo er seit Jahren den Sommer verbringt. Jetzt kommt er von einer Game-Convention in Seattle, wo er „Postal“ vorgestellt hat, seine bisher beste Spiel’Verfilmung: „Ich komme auf die Bühne, und 2000 Leute Hippen komplett aus: „Da! Da isser! Der Feind!“, imitiert Boll die Gamer, die den Film nicht gesehen haben, aber den Regisseur aus Prinzip hassen.
Als Produzent all seiner Filme achtet er immer auf die Kosten: 200 000 bis 500 000 Dollar zahlt er in der Regel für die Lizenz eines Spiels. „Ein Bestseller-Roman wie ‚Da Vinci Code‘ kostet zehn Millionen.“ Wieder lacht Boll sein kehlig raues Lachen.
Geld ist wohl das Schlüsselwort in der Karriere des Aufsteigers. Nach ein paar halb erfolgreichen Filmen und einer Zeit als Produzent bei einer ARD-Tochterfirma entdeckt der emsige Arbeiter 1999 die Magie der Medienfonds. Gut verdienende Zahnärzte und andere Steuersparfüchse steckten damals Geld in fragwürdige Hollywood-Produktionen. Top oder Flop war egal – man konnte ja alles von der Steuer absetzen. Bis Ende 2005 diese „Verlustrechnungsmöglichkeit“ von der Bundesregierung beseitigt wurde. „Das war ein harter Schlag ins Kontor“, seufzt Boll, der mit seiner Boll KG längst an der Börse ist. Um Anleger zu überzeugen, kam er auf die Idee mit den Computerspielverfilmungen: weil Videogames und Actionfilme ein ähnliches Publikum haben und die Popularität des Spiels auch auf den Film abfärbt. Theoretisch. „House Of The Dead“, „Alone In The Dark“ und „BloodRayne“ waren schlecht und schlampig gemachte Filme. Selbst günstig eingekaufte Stars wie Christian Slater oder Michael Madsen konnten wenig retten. Seitdem schäumt das Internet vor giftigen Kommentaren. „I don’t think a German’s gotten this many bad notices since Hitler“, schreibt zum Beispiel Chuck O’Leary auf der Seite Bollbashers.com.
Ein Fellini wird aus dem Mann mit dem markanten Holzkasper-Gesicht sicher nie, doch die Respektlosigkeit von „Postal“ hat tatsächlich etwas erfrischend Provokantes. Ursprünglich sollte der Film mit Radiospots beworben werden, in denen sich ein Sprecher als Bin Laden ausgibt und verkündet, fünf Prozent der Einnahmen gingen an Al-Qaida. Ein Gag, über den die großen deutschen Radiosender überhaupt nicht lachen konnten.
Dass Boll in „Postal“ als er selbst auftritt, mit Lederhosen und Tirolerhut, und behauptet, er finanziere seine Filme mit Nazigold, zeugt von einer gewissen Selbstironie. Trotzdem ärgert er sich auch heute noch maßlos über jeden Tiefschlag. „Die Idee mit dem Boxkampf kam mir in der Zeit, als ich ‚Postal‘ und ‚Seed‘ geschrieben habe. Ich war damals so geladen, dass ich gesagt habe: Am liebsten würde ich denen allen auf die Fresse hauen. Wir haben dann einen Aufruf online gestellt, da kamen auch 30, 40 Bewerbungen. Doch die meisten waren keine Kritiker, die wollten mir nur einfach so auf die Fresse hauen.“
Klare Sache: Der Mann ist deutlich unterhaltsamer als seine Filme. Uwe Boll ist der letzte Live-Rock’n’Roller des deutschen Kinos.