Grosse Göttin
Die Shiny Gnomes machten bisher Pop. Jetzt haben sie die Esoterik entdeckt
Die Öffentlichkeitsarbeit für die Shiny Gnomes gerät regelmäßig zur Kärrnerarbeit: Das Trio aus Nürnberg gilt den meisten Musikjournalisten als rotes Tuch, weshalb es kaum Anfragen nach Interviews gibt. Mit dem neuen Album „MC Creatrix“ manövriert sich die Gruppe weiter ins Abseits – Esoterik, Späthippietum und versponnener Mystizismus sind das letzte, was gegenwärtig im Trend liegt. „Words & Sounds sind direkt der Göttin gewidmet“, spintisiert Gitarrist Ufo in einem Begleittext, „der Schöpferin (Creatrix), Mutter der Zeremonien (MC), ihren heiligen Tieren, den Musen, dem Zauberkessel, der Mondin und all ihren Entsprechungen. Das Hauptthema: die große Göttin!“
Meinen die das ernst? Bei einer Tournee mit Krautrock-Veteranen wie Amon Düül entdeckten die Shiny Gnomes, bisher mit „Schrabbel-Pop“ (Ufo) befaßt, unvermutete Sympathien für verschwurbelte Instrumental-Experimente. „Dabei wollten wir nie etwas mit Krautrock zu tun haben!“ versichert Multi-Instrumentalist Limo. Skepsis gegenüber den neugewonnenen kosmischen Einsichten begegnet Ufo verständnisvoll: „Man muß ja nicht dem Klischee entsprechen, um manche Gedanken der Hippie-Bewegung gutzuheißen. Zum Beispiel die weibliche Seite des Mannes, das Bekenntnis zur Sanftmut. Was nicht Waschlappigkeit bedeutet. Die Fragwürdigkeit von Esoterik und New Age, zumal deren Kommerzialisierung, ist uns bewußt. Uns ging es vor allem um die Musik, die Texte sind zweitrangig. Wir wollten eine Platte machen, die uns ganz und gar entspricht, die keine an uns herangetragenen Erwartungen erfüllt.“
Trotz ästhetischer Unbeugsamkeit gelingt es der Band, mit den Verkäufen ihr Leben zu finanzieren. Sieben Alben, orientiert an britischem Pop und namentlich den Cure, sorgten für eine stabile Fan-Gemeinde und ordentlich besuchte Konzerte. Wenn jetzt aber, so Ufo, „seltsam steife Kraut-Beats auf Far Eastern Vibes“ treffen, „tiefe Bongo-Beats und die Frauen von Lo betören“ sowie „Stimmfetzen aus dem Privatarchiv die mondische Aura (nähren)“, dann mißrät die mystische Reise der Gnome ins Hippie-Neverland zum kryptischen Trip ins Wolkenkuckucksheim des Doofsprech.
Dabei haben die Musiker vernünftige Ansichten und pflegen einen bodenständigen Lebensstil.
Ein wenig verschroben erscheint allenfalls Limos Bastelleidenschaft: Er sucht noch immer jenen Fan, der während der letzten Tournee beiläufig nach einem Ersatzteil für seine Miniatur-Raumstation gefragt hatte. In Heimarbeit verfertigte Limo das Stück – und hofft nun auf ein Wiedersehen mit dem Bittsteller. Nach Einnahme alkoholischer Getränke grübelt der Künstler schon mal darüber, „was denn eigentlich mit der, großen Göttin gemeint war“. Das sei ihm nun, bei gebührlicher Distanz zu den Aufnahmen, „auch nicht mehr klar“. Während man über das Schicksal einer im Aquarium gefangenen Schildkröte räsoniert, bekennt sich Kollege Ufo zu irdischen und konsensfahigen Überzeugungen: „Neil Young ist sowieso der Größte. Das weiß doch jeder.“