Grenz-Artist
1982 kam der Franzose Thierry Noir nach Berlin. Zwei Jahre später bemalte er als allererster Künstler die Mauer.
Thierry Noir, wie kamen Sie auf die Idee, die Mauer zu bemalen?
Ich wohnte damals im Rauch-Haus, direkt an der Mauer. Das war ziemlich gruselig und grau. Im April 1984 habe ich dann alle Farbdosen, die bei mir rumlagen, an der Mauer leergemacht. Das war eine Befreiung! Das habe ich dann mit einem anderen Franzosen, Christophe Bouchet, und mit Kiddy Citny von der Band Sprung aus den Wolken etwas organisierter fortgesetzt.
War Ihnen zu Anfang bewusst, dass das gefährlich ist?
Nein, ich hatte keine Ahnung von der Mauer, im Geschichtsunterricht sind wir nie weiter als 1945 gekommen. Erst später haben mir die Leute erklärt, dass der Bürgersteig vor der Mauer schon zum Osten gehört. Die Westberliner Polizei durfte diesen Bereich nicht betreten. Es gab einen Kontaktbereichsbeamten mit einem Megafon, der immer gerufen hat „Achtung, Achtung, Sie sind schon auf Ostberliner Territorium.“ Es war wichtig, schnell zu malen – nicht zu viele Details. Ein Auge malt, das andere passt auf.
Wie haben die Berliner auf Sie reagiert?
Die Deutschen hatten keine Lust, sich mit der Mauer zu beschäftigen, das war tabu. Manche dachten, ich sei gekommen, um die Stadt zur 750-Jahr-Feier zu verschönern, andere haben uns beschimpft, weil sie dachten, wir wären von der CIA. Der Anfang war schwer für uns, bis 1987 der Film „Der Himmel über Berlin“ von Wim Wenders herauskam – da haben die Leute verstanden, worum es uns geht.
Wie ist Wenders auf Sie aufmerksam geworden?
Seine damalige Freundin, Solveig Dommartin, kam aus Nancy. Und die kannte Olivier Picot, der dort einen Plattenladen hatte. Wim kam da öfter vorbei, um Musik für seinen nächsten Film zu finden. Der Laden war ein wichtiger Treffpunkt – alle waren da: Blixa Bargeld, Nick Cave … Da habe ich Wim kennengelernt. Anfang 1987 war ich bei den Dreharbeiten zu „Der Himmel über Berlin“ dabei. Man sieht mich auf der Leiter an der Mauer stehen.
Wim Wenders hat Sie auch mit U2 bekanntgemacht.
Richtig, kurz nach der Wende haben sie in den Hansa-Studios an der Mauer aufgenommen. Sie wollten, dass ich für sie einen Trabi bemale. Daraus wurden dann insgesamt 15 Stück. Den ersten habe ich im Hof der Studios bemalt.
Haben die Ihnen gesagt, was Sie da draufmalen sollen?
Ich habe Anton Corbijn und die Band damals nicht getroffen. Wir haben nur per Fax miteinander kommuniziert. Das war damals die neueste technische Errungenschaft. Das Problem war nur: Die meisten Bildvorschläge, die sie mir schickten, kamen als schwarze Quadrate aus dem Fax. Da konnte man nicht viel erkennen – aber mit ein bisschen Inspiration hat es dann geklappt.
interview: maik brüggemeyer