gratwanderungen: GOMEZ-Sprecher Tom Gray über den Kampf für kunstvollen Pop und gegen die prätenziöse Kunst
Gomez? Ein Rätsel! Drei Songschreiber, drei Sänger, kein Image, wer soll sich da einen Reim machen. Zuletzt verunsicherten die britischen Eigenbrötler mit der „Machismo“-EP und dem Lückenfiiller „Abandoned Shopping Trolley Hotline“, die zwar Spaß machten, aber jeder linear organisierten Diskografie Hohn sprachen. Immerhin, zwischen dem letzten regulären Album „Liquid Skin“ und dem neuen Werk ,Jn Our Gun “ liegen satte zweieinhalb Jahre. Kehrt jetzt Ruhe ein? „Die meisten bisher veröffentlichten Songs entstammen im Grunde den Sessions zum ersten Album“, erklärt Tom Gray beim netten Gespräch in der Kölner Residenz seiner Plattenfirma, „wir konnten einfach nicht aufhören aufzunehmen, bis wir mit dem Rock’n’Roll.Shopping Trolley‘-Mbwm eine Art Bestandsaufnahme und einen Schlussstrich gezogen hatten. Eigentlich ist das neue Album unsere zweite Platte.“ Nach den ersten paar Minuten Unterhaltung ist man froh: Obwohl man das befürchten konnte, ist der Gomez-Mann kein Sonderling. Tom, wach und kommunikativ, mag klare Sätze und umgibt sich mit der Aura eines leicht zynischen, intellektuell souveränen Beobachters. Auf die Nerven gehen ihm bloß die an Gomez oft angestellten neunmalklugen Erörterungen. „Unsere Musik ist ja keine Kulturwissenschaft“, sagt er kopfschüttelnd, „we’re trying to be very unprecious.“ Die Kunst bloß nicht aufs Podest – Gomez machen ihre Musik ausschließlich im Kollektiv und wollen sich mit einzelnen Songs nicht allzu lange aufhalten. „Unsere Alben sind nichts weiter als die Demos der jeweiligen neuen Stücke, Wenig geprobt, zum ersten Mal aufgenommen, meistens nicht hinterher bearbeitet. Die einzige Präposition ist, den Klischees aus dem Weg zu gehen.“ Trotz solcher Angst vorm Standard gefallen Gomez vor allem der heimischen Musikindustrie, die deren Alben immer mit Medaillen behängt und die Andersartigkeit beklatscht. „Es ist natürlich furchtbar, jemandes Entschuldigung für eine beschissene Plattensammlung zu sein. Statt uns Preise zu verleihen, sollten sie lieber mal dafür sorgen, dass unsere Musik im Radio läuft. Dann wäre zumindest etwas mehr Vielseitigkeit gesichert.“ Mit dem Tagesgeschäft Popmusik hat’s Tom nicht so. „Sicher machen wir alle nichts anderes als dieselbe alte Scheiße“, konstatiert er wenig fein, „aber dummerweise ist das qualitative Level derselben alten Scheiße im Moment gerade ausgesprochen niedrig.“ Jörn Schlüter