Grace Jones – Berlin, Tempodrom
Sie kann es noch: Die Rückkehr der Achtziger-Ikone geriet auch auf der Bühne zum gewaltigen Triumph.
Das Konzert beginnt mit der Landung einer Außerirdischen: Fünf Meter hoch thront Grace Jones auf einer Hebebühne über dem Publikum, unnahbar und unendlich cool. Mit etwas rauer gewordener Stimme intoniert sie die von David Bowie und Iggy Pop geschriebene, dunkel dräuende Nachthymne „Nightclubbing“.
Grace Jones war schon immer eine begnadete Selbstdarstellerin. In Jamaika geboren, nach New York übergesiedelt, wurde sie erst Supermodel, dann Disco-Diva, dann Schauspielerin. Sie tanzte mit Warhol im „Studio 54“, kämpfte gegen James Bond in „A View To A Kill“ und gehörte zu Schwarzeneggers Team in „Conan“. Doch zuletzt war es ruhig geworden um Grace Jones: 20 Jahre warteten die Fans auf das 2008 erschienene Album „Hurricane“ — und wurden nicht enttäuscht.
Natürlich profitiert die Sängerin bei ihrem Comeback auch vom Tina-Turner-Effekt: 60 Jahre alt und immer noch ganz Körper. Höhepunkt ihrer exzentrisch extravaganten Performance ist „Slave To The Rhythm“. Von Anfang bis Ende des nicht eben kurzen Songs lässt Jones einen riesigen Hula-Hoop-Reifen um ihre Hüften rotieren, singt, stellt ihre Band vor und schlendert von einer Seite der Bühne zur anderen. Und die ganze Zeit dreht sich der rosa Reifen immer weiter und weiter und weiter.
Nach jedem Stück rauscht die Sängerin in eine Umkleidekabine am Bühnenrand. Danach trägt sie stets eine andere unfassbare Hut-Kreation des Star-Designers Philip Treacy, der im Publikum sitzt. Hüte wie Bonsai-Bäumchen, Teufelshörner, riesige Dschungel-Blüten oder eine Mischung aus Römer-Helm und Irokesen-Frisur. Die Modeszene ist nach wie vor verrückt nach dem Ex-Model. Jean Paul Gaultier rückte zum Pariser Konzert mit einer 25-köpfigen Entourage an. Und Grace Jones selbst zeigt im Berliner Tempodrom, warum das so ist: High Heels, durchsichtige Strumpfhose, darunter ein fleischfarbener StringTanga, darüber ein dunkles Jacket – mehr ist nicht nötig, um als Beinahe-Rentnerin das Publikum zu entzücken.
Die großartige Band agiert dazu in einem rötlichen Halbdunkel – was toll aussieht und perfekt zu dem manchmal fast bedrohlichen Disco-Dub-Reggae passt. Der Klassiker „My jamaican Guy“ ist kaum zu unterscheiden von der fast 30 Jahre alten, mit Sly und Robbie eingespielten Original-Version. Danach behauptet Mrs. Jones, aus ihrer Umkleidekabine heraus, jetzt erst mal einen schönen Spliff zu brauchen. Und später, bevor „La Vie En Rose“ beginnt, tönt sie mit dem vollen Rotweinglas in der Hand, man solle ihr doch lieber gleich die ganze Flasche bringen.
Was auffällt: Die neuen Songs können live problemlos mithalten mit den alten Hits. Egal, ob es sich um das lyrisch melodische „1 Love You To Life“ handelt oder um den dröhnenden Titelsong, bei dem Grace Jones gegen eine gewaltige Windmaschine ansingt. Die Band hält konsequent die Spannung, der extrem kompakte Sound besitzt dabei etwas sprungbereit Lauerndes.
Zum letzten Song vor der Zugabe bittet die Außerirdische in einem Anfall von Volkstümlichkeit zwei Dutzend Zuschauer auf die Bühne. In ihren unspektakulären Berliner Straßenklamotten hüpfen diese dann um den „Pull Up To The Bumper“ intonierenden Paradiesvogel herum.
Die Zugabe beginnt mit einer übertrieben schnellen und brachialen Version von Roxy Musics „Love Is The Drug“. Ein Inferno, das wie das ganze Konzert kein bisschen nach Resteverwertung aus alten Zeiten klingt. Auch nicht unbedingt nach dem neuesten heißen Scheiß, sondern: wie a class of its own. Das unterstreicht Mrs. Jones, als sie zum Schluss noch einmal ganz alleine auf die Bühne kommt, um dem Publikum ein „Ich liebe dich“ entgegen zu rufen. Natürlich hatte sie sich auch dafür noch einmal umgezogen und ein schickes Hütchen aufgesetzt.