Gottschalk Live: Opa kann’s nicht lassen
Laber-TV in Puschen: "Gottschalk Live" ist betreutes Senden. So das harte Urteil von unserem TV-Kritiker Arne Willander, der gestern - wie vermutlich halb Deutschland - die Weltpremiere von "Gottschalk Live" in der ARD verfolgt hat.
Das wichtigste Wort der ersten Sendung war eines, das Thomas Gottschalk schon im letzten Jahr oft verwendete: ICH. Er selbst merkt es ja nicht, aber sein tutiger Auftritt im teuer-geschmacklos ausgestatteten Wohnzimmerbüro über den Straßen von Berlin ist der Vorruhestand im Vorabendprogramm – und wie das so ist im Vorruhestand, erzählt der kregele Opa natürlich von seinen frühen Tagen (23. Januar 1971 beim Radio), von seinen Ruhmestaten („Ich habe Heidi Klum entdeckt“, „Ich habe sie oft gesehen“) und vertut sich schon mal grob mit den Zeiten (Bully Herbigs „Schuh des Manitu“ verlegt er ins Jahr 1982 – das war vermutlich das Jahr des ersten „Supernasen“-Films). Alle paar Minuten legen die Dandy Warhols mit „Bohemian Like You“ los (Anmerkung: wurde korrigiert, hier stand zunächst fälschlicherweise ein anderer Song).
Vollmundig behauptet Gottschalk, er habe Nicolas Cage wieder ausgeladen, denn diese Hollywood-Stars machen ja doch nur Werbung für ihren Film – um dann zu bemerken, Cages neuer Film laufe erst im Februar an, man habe also noch genügend Gelegenheit zur Einladung. Und später ist der einzige Gast Bully Herbig, der über den neuen Film „Zettl“ spricht. Auch hier: ICH habe den Film gesehen. ICH finde Dich großartig (übrigens mit dem vergifteten Kompliment, Herbig sei bei Helmut Dietl nicht der „Quatschkopf“ aus den Komödien und dem Fernsehen). ICH war im „Grill Royal“, ICH habe meine Sekretärin eingeladen, ICH wurde gleich fotografiert (im „Grill Royal“ wird stets durch die Fenster fotografiert, deshalb gehen alle dorthin). Bully sagt, er gehe in München wie in Berlin nirgendwohin und gehöre keiner Szene an. „Siehste“, freut sich Gottschalk. „Dich wollen die Pararazzi nicht, aber wenn ICH einmal ausgehe!“
Nun ist das selbstverständlich das übliche bramsige Gerede des Thomas Gottschalk. Das Ambiente erinnert an seine Grünwalder Haus-Party bei Sat.1, bei der es immerzu an der Tür klingelte und Gäste hereingebeten wurden, die dann unverbunden und unbehaglich im Wohnzimmer herumsaßen, während Gottschalk salbadernd durch die Gegend stakste und schwer erträgliche Spiele erklärte. Sein geräumiges Berliner Wohnbüro teilt er mit einem Sprengel von Jungjournalistendarstellern, die lässig um einige Schreibtische drapiert sind. Die armen Leute müssen bis 20 Uhr arbeiten, um dem Chef Beifall zu spenden und als Sparringspartner zu dienen. Die blonde Caro bedient die sozialen Netzwerke, Gottschalk bietet Günther Jauchs gemusterte Krawatte feil, die Zuschauer können online Fragen an Bully Herbig stellen, von denen es eine in die Sendung schafft. Vor den Werbeunterbrechungen schaut Gottschalk in die falsche Kamera, selbst überrascht von den häufigen Ausblendungen. Irgendwann kommt „das Wetter“, Herbig und Gottschalk sitzen in Puschen in ihren Sesseln, man könnte noch so schön weiterplaudern, aber da ist die Zeit schon um.
Die Todeszone der ARD hat jetzt jemanden, der darin wohnt. Mag sein, dass wir uns zum Abendbrot die Welt künftig von jemandem erklären lassen, der weiß, dass die Heidi „a handful“ ist – wie der Amerikaner sagt – und Seal ein ganz Netter. Der sich selbst eben nicht genug ist, sondern ein Publikum braucht. Und die Kinder sind halt aus dem Haus.