„Goodbye Göttin!“, ruft es aus unserem Blog
Eine Welt ohne die White Stripes ist vor allem eine Welt ohne Meg White. Joachim Hentschel verabschiedet sich.
Es war schwer, ihren Blick zu erhaschen. Und dann noch schwerer, sie zum Lachen zu bringen. Ihr ein Wort zu entlocken. Oder: einen Satz. Dass sie mit dem Geheimnis rausrückte, das sich hinter dem vielsagenden Halblächeln, den biberschwarzen Augen, der legendären Schlagkräftigkeit verbarg – das wäre ohnehin zu viel des Guten gewesen. Meg. Schneewittchen des Garagenrock. Stolze Zauberkünstlerin, draußen in der cold, cold night.
Denn dass es die White Stripes nicht mehr gibt, wie wir gestern erfahren haben, wird vor allem eines bedeuten: Wir werden Meg nicht mehr sehen.
Um Jack White, ihren Ex-Mann und jetzt auch Ex-Duopartner, müssen wir uns nicht sorgen. Er wird bald wieder da sein, mit einem weiteren Blues-Fuzz-Country-Outfit (oder mit einem der alten), als Produzent der Rolling Stones oder Organisator eines dreitägigen Bluegrass-Lollapalooza im Wald von Montana. Richtig fehlen wird uns Meg White. Schlagzeugerin, ab und zu Sängerin, Spielkameradin im rotweißen Sandkasten. Der entscheidende andere Pol, ohne den die White Stripes vielleicht so null-acht-fuffzehn gewesen wären wie andere paarweise rockende Männer.
Bei unserer ersten Begegnung, in der Hamburger Meanie Bar im Winter 2001, steckte sie in einem schwarzen Kunstpelz und war so nervös vor den ersten Überseekonzerten wie ihr Bandpartner. Beim zweiten Mal, in einem Kölner Restaurant, waren sie schon halbe Stars. Sie wirkte gelöst, trug viel zur Unterhaltung bei, in der die White Stripes der endlich interessierten Welt ihr Konzept darlegten. Beim dritten Mal, 2007 in einem Hotel in Nashville, war Meg erstaunlich desinteressiert. Das Gefühl, dass sie sich von Vielredner Jack am liebsten das Wort erteilen ließ und sonst nur höflich über seine Gags lachte, war stärker denn je. Sie war nach L.A. gezogen. Was sie da die ganze Zeit gemacht habe? Ach, nicht viel, murmelte Meg. Freunde getroffen, das sei zeitaufwändig gewesen. Andere Interviewer fragten hinterher, ob mir ihre grauen Zähne aufgefallen wären. Und ob ich die Chance ergriffen hätte, in ihren legendär ereignisreichen Ausschnitt zu schauen.
Das soll jetzt nicht wie ein Nachruf klingen, aber tut es irgendwie von ganz allein. Die Wahrscheinlichkeit, dass Meg White uns demnächst mit einer neuen Band überraschen wird, ist doch sehr klein. Unabhängig davon, ob es ihre persönlichen Probleme waren, die den Split der Band verursachten. Mit Meg White tritt eine Künstlerin von der großen Bühne ab, die lurchcool gezeigt hat, wie man sich als Frau im Indie-Rock-Dingsbums nicht den Schneid abkaufen lässt. In einer Szene, die doch bei aller Liebe immer noch ein oft chauvinistischer Männerbund ist. In der es für Mädchen zwei einfache Möglichkeiten gibt: zur maskulinen Querulantin oder zur niedlichen Maus zu werden.
Meg White war nichts davon. Sondern ein Charakter. Eine große Schlagzeugerin. Ein eigener Kopf. Wir wünschen ihr die allerbesten Zeiten.
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