Gniedeln wie in Wymeswold
Schlumpfigen Musikern aus der Provinz ist das britische Album des Jahres gelungen: Auf „Beer In The Breakers“ führen The Wave Pictures elegischen Pop, Blues und Gitarrensoli zusammen.
Wer sind die Wave Pictures? Auf dem neuen Album, „Beer In The Breakers“, spielt das Londoner Trio cleveren No-Wave-Indie-Pop, hat aber auch Zeit für überlange Gitarrensoli wie im Blues-Festzelt. Zwei Welten, die eigentlich nicht zusammenpassen.
In dieser Spannung befand sich die Band um Sänger/Gitarrist David Tattersall in den letzten Jahren. Zwei Lager stritten sich um die Wave Pictures – die Fans der ersten Stunde wollten Tattersall gniedeln hören wie zu Beginn der Karriere in Wymeswold, Leicestershire. Die anderen nagelten die Band auf die intellektuellen Alltagsbetrachtungen fest, die nach dem Umzug nach London vor einigen Jahren die Alben der Wave Pictures charakterisierten. „Es wurde ein richtiges Politikum“, wundert sich Tattersall. „Wir lieben ein bestimmtes Musikertum, obwohl wir natürlich keine Retro-Band sind. Aber die etwas schrägen Indie-Popper, die die Londoner in uns sehen, sind wir auch. Warum geht nicht beides? Wir würden gern zu unseren eigenen Bedingungen Musik machen.“
Mit dem neuen Werk scheint der Knoten zu platzen. Nach ein paar dürren Jahren kommen wieder mehr Menschen zu den Shows der Wave Pictures, die Stilfrage spielt keine Rolle mehr. Vielleicht, weil Tattersall, Franic Rozycki und Jonny Helm mit dem uneitlen Realismus kaum Raum für Stildiskussionen geben, sondern einfach spielen. An nur einem Tag hat Freund und Kollege Darren Hayman (Hefner) das Album produziert und praktisch ein Konzert der Wave Pictures eingefangen.
Neben Hayman sieht man die Wave Pictures wegen diverser gemeinsamer Tourneen oft in der Nähe von Künstlern wie Herman Dune oder Jeffrey Lewis. Machen sie also etwa Anti-Folk? Nein, nein, wehrt Tattersall ab, seine Band habe musikalisch nichts mit der der genannten Kollegen zu tun. Hat sie aber doch: Die Stillosigkeit von Dune oder auch Hefner passt gut zu den Wave Pictures, die sich auch jeder Formatierung des Produktionsprozesses verweigern. Man schätzt an diesen Platten zum Beispiel, dass auf ihnen nicht angegeben und nichts vorgegaukelt wird. Keine Moden, nur Akkorde, keine Szene, nur Lieder – Musik ohne Ballast. „Es gibt ja diese andere Welt der großen Budgets und bearbeiteten Klänge da draußen“, sagt Tattersall. „Da gehören wir natürlich nicht hin. Trotzdem empfinde ich uns nicht als seltsam, sondern als logische Konsequenz aus Robert Johnson, den Beatles und Punk – eine ganz normale Fortführung der Popmusik des 20. Jahrhunderts.“
Gemischte Gefühle hat Tattersal in Bezug auf das Etikett „very british“, das seiner Band vielfach angeheftet wird. Er weiß nicht recht: Hieße das dann, dass sich jedes seiner Worte auf ein wie auch immer geartetes britisches Lebensgefühl deuten lassen müsste? Das sei doch zu eng. „Aber natürlich kann ich meine Herkunft nicht leugnen. Ich will weder meine Stimme verstellen noch amerikanische Themen verarbeiten – wenn ich es wie Hank Williams machen will, dann singe ich doch nicht über Texas, sondern über Wymeswold.“