Glaube, Liebe, Hoffnung (24): Der innere Erdogan
Wie patriotisch muss ein Fußball-Experte sein? Die deutsche Taktik vor dem Viertelfinale bleibt Gesprächsthema. EM-Blog, Folge 24.
„Wir reden immer viel über Taktik. Aber es geht natürlich viel in diesem Spiel auch um mentale Aspekte.“
Oliver Kahn
„Ich weiß, dass über so was auch diskutiert worden ist. Aber es war dringend notwendig, die Mannschaft ein bisschen zu verändern.“
Jogi Löw
Wenn es um die Fußballnationalmannschaft geht, dann entdeckt die deutsche Fußball-Gemeinde den inneren Erdogan. Meinungsfreiheit schätzt man dann etwa so sehr, wie Vladimir Putin. Jetzt ist Mehmet Scholl das Opfer, der gewagt hat, auch nach dem Elfmeterschießens-Sieg über Italien die Nationalmannschaft, ihre Taktik und Jogi Löws Beraterstab zu kritisieren.
Nun hat Mehmet Scholl nicht immer recht, gestattet sich aber seine eigene Meinung. Das will man nicht: Fußballreporter und -kommentatoren haben Patrioten zu sein, die nichts an „unseren Jungs“ kritisieren, schon gar nicht die Führung. Da wird der Kritiker schon mal mit unlauteren Mitteln abgewatscht. So kommentiert die „SZ“, Scholl habe nur mal „die zweite Mannschaft“ des FC Bayern München trainiert. Als ob das so schlecht wäre und für seine Inkompetenz sprechen würde.
Vor allem aber schreibt niemand, dass der von Scholl so heftig kritisierte Urs Siegenthaler noch überhaupt nie als Trainer in Erscheinung getreten ist. Löws Expertenteam, nicht den Bundestrainer selbst, hatte Scholl aber angegriffen: „Joachim Löw wacht nicht nachts auf und sagt: ‚Dreierkette, Dreierkette, Dreierkette.‘ Warum bringt man eine Mannschaft, die so funktioniert, in so eine Situation?“, meckerte Scholl.
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Der „Tagesspiegel“ wählt eine andere Diffamierungstaktik: „Mehmet Scholl und seine antiquierten Ansichten“. Im Text steht dann aber nicht, warum Scholls Ansichten antiquiert seien, und auch nicht, warum seine Argumente falsch sind. Im Gegenteil: Scholls Argument, dass die defensive Stabilität zu Lasten der Offensive ging, dass die Deutschen nicht immer zwingend wirkten, teilt der Autor. Er fügt nur hinzu: „Joachim Löw nahm es billigend in Kauf.“
Es wird also klar: Scholl sollte besser die Klappe halten. Ist schließlich alles gut gegangen.
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Oliver Kahn immerhin erkannte eine „aufgeregte Taktikdebatte“, konterte dann aber sachlich gegen Scholl: „Die Vorstellung, eine einzelne Formation durchhalten, ist ziemlich lang vorbei.“ Und verwies darauf, richtig gute Teams müssten stattdessen verschiedenen Spiel-Variationen drauf haben, und sich gegebenenfalls auch während des Spiels umstellen können.
Auch Löws Behauptung, „Die Italiener spielen immer gleich, von außen in die Mitte, und dann versuchen sie abzulegen und die Tiefe zu gehen. Sie machen es super, aber es ist leicht berechenbar“, stellt nur deshalb keiner infrage, weil die DLF-Elf gewonnen hat.
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Dann wurde der Halbfinal-Gegner der Deutschen ermittelt. Jenseits ihrer grotesken Tattoos hatten die Niceländer gegen die Franzosen nicht viel zu bieten, waren chancenlos und gingen 2:5 unter. Und es hätte auch 1:8 ausgehen können.
Fazit: Sie sind schon weit genug gekommen. Endlich kriegt Island seinen Platz im Fußball-Universum wieder zugewiesen.