Gladiator
„Cleopatra“ war sein Schicksal. Drei Jahre war an dem knapp vier Stunden langen und – gemessen am Geldwert – noch immer teuersten Film aller Zeiten von Joseph L. Mankiewicz gedreht und geschnitten worden. Doch obwohl 1963 ein Kassenknüller sowie für neun Oscars nominiert, wurde das Epos ein finanzielles Debakel – und beendete so das Genre des Monumentalfilms gleich mit Anthony Manns dreistündiger „Untergang des römischen Reiches“ – nomen est omen – präsentierte sich nur wenig später als letzter Brocken seiner Art Dann überließ das amerikanische Imperium das Terrain den kürzeren, in jeder Weise billigeren „Herkules“-Taten der Italiener. Deren Hauptakteur, die Muskelcharge Steve Reeves, ist gerade verstorben.
„A hero will rise“, verkündet schon länger das Orakel von Hollywood auf Plakaten, die eine Gestalt von hohem Wuchs vor einem biblischen Wolkengebilde zeigen. Und wenn der Held am Ende in den Staub der Arena sinkt, die Augen selig in den blauen Himmel gerichtet, hat mit Ridley Scotts „Gladiator“ nach mehr als drei Jahrzenten wieder jemand das klassische Antikkino gestemmt Ein Phoenix aus Zelluloid, fast zweieinhalb Stunden lang und 107 Millionen Dollar teuer, mit Kolossalbauten und unsterblichen Szenen.
Als sollte die historische Dimension dieses Werkes betont werden, macht der „Gladiator“ 180 n. Chr. da weiter, wo bereits „Der Untergang des römischen Reiches“ seinen Anfang nahm. Kaiser Marcus Aurelius (Richard Harris) ist zum General Maximus (Russell Crowe) gereist, der die Entscheidungsschlacht gegen die letzten aufsässigen Germanen fuhrt. Der weise Herrscher trägt seinem erfolgreichen Feldherrn auf, jener solle nach seinem Ableben die Staatsgeschäfte wieder in die Hände der Senatoren legen. Sein jähzorniger Sohn Commodus (Joaquin Phoenix) erwürgt ihn daraufhin und befiehlt den loyalen Offizier zu beseitigen. Maximus kann flüchten, die Ermordung Leinwand Gar nicht antiquiert: RIDLEY SCOTT restauriert mit seinem Heldenepos das Sandalengenre seiner Familie aber nicht verhindern. Verletzt von Sklavenhändlern aufgegriffen, wird er nach Marokko verschifft, an Proximo (Oliver Reed) verkauft und zum Gladiator. Erst desillusioniert, will Maximus schließlich im Colosseum von Rom seine Rache vollziehen, nebenbei die Demokratie, die Menschenwürde und somit den Frieden retten. Ave.
Die Parallelen zu „Ben Hur“ und „Spartacus“ sind offensichtlich. Und auch sonst haben sich gleich drei Drehbuchautoren bemüht, unter Verzicht von Zyklopen und Götterwesen eine Summe aller Sandalensagen zu erstellen. Doch in diesem Monument optischer Pedanterie nehmen sich Heimtücke und Inzest, Meuchelei und Verrat wie bescheidene Referenzen an die Mythologie ewiger Menschheitsdramen aus. Zwar brilliert Crowe nach seinem zerquälten „Insider“ wieder in einer Rolle, bei der er vor angestautem Zorn zu zerbersten scheint, aber der Charakter an sich ist unterfordert. Statt vieler Worte muss er um so mehr athletische Taten zeigen – ein Kampfhamster im Laufrad des Circus Maximus.
„Win the crow“, spornt Proximo seinen besten Kämpen an, als sei er Produzent einer TV-Show. Imponierend choreographiert, streckt Maximus mit brutaler Entschlossenheit seine Gegner nieder. Köpfe purzeln, Blutfontänen schießen aus den Torsos. Einmal rast eine Axt auf die Kamera zu, als müsse der Kinozuschauer um seinen Hals bangen. So ist nicht nur die digitalisierte Masse auf den Rängen gemeint, der er den Todesstoß für einen unterlegenen Kämpfer verweigert, als er angewidert ruft: „Are you not entertained?“
Wie in Scotts „Alien“, „Blade Runner“, „Black Rain“ oder „G.I. Jane“ ist der „Gladiator“ ein Krieger, der überleben will, in seinem Martyrium auf sich alleine gestellt ist. Diesmal wendet er gar die spirituelle Jenseitigkeit zeitgemäßer Zivilisationskrüppel wie jene in „Fight Club“ oder „American Beauty“ zu einen furchtlosen Blick zurück. Am Anfang streift eine Männerhand durch ein glänzendes Kornfeld. Plötzlich wird das Bild überblendet von verbrannter Erde und monochromer Düsternis wie die Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges. Das Gemetzel zwischen Legionären und Barbaren bietet ähnliche Schonungslosigkeit auf wie „Braveheart“ und „Der Soldat James Ryan“. Je dichter Maximus ins Gefecht vordringt, um so mehr visualisieren sich die Schwerthiebe in schnellere, schärfere Schnitte. Die Kamera kreist, bis der Rausch kathartisch in Zeitlupe fallt. Danach benetzen Schneeflocken sein versteinertes, blutbespritztes Gesicht.
Bei Scott symbolisieren stets Gesten und Kulissen die Gefühle. Mehr noch als Phoenix‘ morbides Spiel illustrieren Büsten und wehende Vorhänge, dass der Wahnsinn durch die Palasthallen schleicht, schafft der Schein von ölfunzeln und Fackeln eine klaustrophobische Atmosphäre, suggeriert gleißende Sonne die Hölle. Aufs Wasser, sonst Lebensquell seiner Filme, hat er verzichtet. Dieses Schicksal traf zuletzt „Thelma & Louise“.