Gitarrenlärm mit Pop-Appeal: Ohne Angst vor dem Mainstream gelingt der Würzburger Band MILES die Leichtigkeit des Zitats
Heimische Gitarrenbands furchten nur eins: Popmusik. Melodien für Millionen und Viva-Videodips abzuliefern, verursacht bei so manchen das große P – Panik! Nicht so bei Miles. „Pop, ja bitte!“ ist das überzeugte Credo der Würzburger – was um so erstaunlicher ist, weil „wir ursprünglich aus der Indie-Ecke kommen“. Vor sechs Jahren rockte Sänger, Songwriter und Gitarrist Tobias Kuhn sogar noch mit Klassenkameraden durch regionale Konzertlöcher. Als die Schülerband einen neuen Bassisten suchte, war das entscheidende Kriterium: „Sag mir, was du hörst, und ich sag dir, ob du’s bringst.“ Rene Hartmann schwärmte damals von der neuen Sonic Youth-Scheibe. Und war ihr Mann.
Ihren Bandnamen „Miles From Nowhere“, einer gleichnamigen Strophe des Sonic Youth-Albums „Goo“ entlehnt, mußten sie nach einem Rechtsstreit kappen. Und mit dem alternativen Purismus war auch bald Schluß. „Melodien sind für uns extrem wichtig geworden“, sagt Gitarrist und Keyboarder Gilbert Hartsch – wie auch die Platten der Kinks, Pixies und Posies. Sie verbinden britischen Sixties-Pop mit achtziger Noise-Rock – oder spielen bei der Gartenparty der Beach Boys auf, wo die Beatles in Harmonien und Erinnerungen schwelgen, die Monkees für Drinks sorgen und The Jesus And Mary Chain Ärger mit der Polizei anzetteln.
Und obwohl sie fürs zweite Album „The Day I Vanished“ ausgiebig im Pop-Archiv wilderten, ließen sich die Ex-Generation X-Musiker nicht zum Eklektizismus verleiten. Punkige Gitarren, psychedelische Flöten und Falsett-Gesang treffen in einem Kontext aufeinander, wo Pop-Rock kein Schimpfwort mehr ist, sondern das Koordinatensystem für leichtfußige Songs, die sich zielstrebig in den Gehörgang verrennen und Sommerfrische Gefühle versprühen.
Ein Funke, der auch zu den einschlägigen Plattenfirmen übersprang. Miles gehören zu einer ganzen Riege junger Musiker wie Go Plus, Die Braut haut ins Auge oder Vivid, die Mainstream-Appeal nicht mit Qualitätsverlust erkaufen. Gesunde Kommerzialität wird vom Musikbusiness geschätzt, ebenso wie – gerade in Zeiten austauschbarer One-Hit-Wonder – die Kontinuität, mit der die Jungspunde zu Werke gingen. Seit sie 1994 – noch ganz den Indie-Idealen verpflichtet ihr eigenes Label Spool Records aus der Taufe hoben, gelten sie als verschworene Gemeinschaft; und nach dem Erfolg des selbstvertriebenen und von den Eltern vorfinanzierten -Debüt-Albums „Baboon“ auch als potentielle Hit-Lieferanten.
Deprimierende Erfahrungen mit der Musikindustrie haben sie trotzdem gemacht Trotz ihrer leidenschaftlicher Auftritte, mit denen sie sich eine solide Fan-Basis erspielten, trotz zahlloser Versuche, ihr Demotape an den Mann zu bringen, hörten Miles nur die schulterklopfende Ermunterung, genau so weiterzumachen. Ein ungewollt guter Rat: Die Ochsentour zahlte sich aus.
Dabei sind Miles nach Produktion ihrer radiokompatiblen Pop-Platte bereits wieder einen Schritt weitet „Wir stehen auf Air, Money Mark und Console“, verrät Tobias – und daß sie diesmal die elektronische Seite von Planet Pop erkunden werden.