Die Frage der Fragen für Gitarristen: Gibson oder Fender? Les Paul oder Stratocaster?
Zwei legendäre Firmen, zwei legendäre Modelle. Aber wozu sollte man eigentlich greifen — zur Gibson Les Paul oder zur Fender Stratocaster? ROLLING STONE klärt auf.
Es gibt sie, jene Gitarristen, die auf eine Marke oder besser noch auf ein Modell schwören — und dazu ihr Leben lang in Nibelungentreue stehen. Aber mal ehrlich, sogar die besten Markenbotschafter der Gitarrenwelt gehen schon mal fremd. Slash etwa spielt nicht nur Les Pauls (die zu ihm gehören wie der Zylinder und die Zottelfrisur), sondern greift auch mal zur BC Rich.
Auch der große Jimi Hendrix war gelegentlich mit etwas anderem als einer Fender Stratocaster zu sehen. Page? Les Paul, aber auch Telecaster, Danelectro. Knopfler? Gibson, Fender, Pensa, Suhr, National und vieles mehr. Und dennoch: Für manchen ist die Frage Gibson oder Fender so fundamental wie die berühmt-berüchtigte Beatles/Stones-Entscheidung. Aber was hat es damit eigentlich auf sich — und für wen kommt welche Gitarre infrage?
Umreißen wir die Gitarrenhistorie zunächst mal kurz und rudimentär. Wir schreiben die Mitte des 20. Jahrhunderts, Les Paul klopft mit seinem selbstgemachten Prototypen einer E-Gitarre bei Gibson an. Die schicken ihn allerdings wieder nach Hause und nennen ihn spöttisch den „Mann mit dem Besenstiel“. Kurz daraufhin bringt Leo Fender sein erstes Modell auf den Markt und Gibson sehen ein, dass sie mit ihrer Reaktion auf Herrn Paul vielleicht doch einen Fehler gemacht haben. „Findet den Mann mit dem Besenstiel“, befahl die Chefetage als späte Reaktion. Glücklicherweise fand man ihn wieder. Die Les Paul wurde geboren, war eine Zeit lang sehr erfolgreich, dann so gar nicht erfolgreich, schlitterte beinahe an der Grenze zur Bedeutungslosigkeit, ehe sie ein Revival erfuhr und heute längst nicht mehr wegzudenken ist.
Zwei Konzerne, zwei Philosophien
Und die Konzerne selbst? Gibson ist eine US-Traditionsmarke, die auf Puristen setzt. Leider waren die Entscheidungen des Konzerns in den letzten Jahrzehnten in vielerlei Hinsicht nicht immer die Besten– und auch die Qualitätskontrolle ließ, so lamentieren viele, oft zu wünschen übrig. Fender war hingegen als Firma meist beständig, auch sie mal den Besitzer wechselte und, wie einige gerne sagen, die alten Gitarren aus der Prä-PBS-Zeit sowieso um Welten besser waren. Sie haben amerikanische Geschichte geschrieben, wirken aber weit weniger konservativ.
Zünftig-bauchiger Rock oder klar wie die Sultane des Swing?
Um die Gibson-oder-Fender-Frage zu vereinfachen, konzentrieren wir die Sachlage auf zwei Gitarren: Die Les Paul und die Stratocaster, die beiden bekanntesten Gitarrenmodelle der Musikgeschichte. Wenn es um härteren Rock geht, ist für viele die Les Paul die bessere Wahl. Das liegt unter anderem an den Tonabnehmern: Die Les Paul hat in der Regel Humbucker (alternativ auch P90s). Die klingen fetter, erdiger, schwerer und neigen bei verzerrten Verstärkern zu weniger ungewolltem Feedback. Apropos schwer: auch die Les Paul an sich ist schwer. Wer eine „Paula“, wie sie hierzulande gerne genannt wird, spielt, dessen Schultern haben etwas zu tragen. Klar, es gibt auch leichtere Ausführungen, aber wer es richtig puristisch mag, verzichtet auf Weight Relief und hängt sich eben ein 4,5-plus-Kiloteil um den Hals. Dafür gibt es auch diesen herrlich bauchig-rauchigen Les-Paul-Ton, der die Rockgeschichte maßgeblich geprägt hat.
Und dann hätten wir noch die Fender Stratocaster. Klar, man kann auch auf einer Strat ordentlich abrocken, siehe Hendrix. Aber ihre richtigen Stärken spielt die Stratocaster im Clean-Bereich aus. Sie klingt glockenklar, hell, transparent. Einfach mal den Schalter der Tonabnehmer (im Gegensatz zu den Humbucker der Les Paul besitzt die Stratocaster Singlecoils, also einspulige Tonabnehmer — es gibt natürlich auch Strats mit Humbucker-Pickups) auf eine Zwischenstufe schalten und clean spielen. Man wird stante pede zum Sultan of Swing! Sie klingen aber nicht nur anders, sie spielen sich auch ganz anders. Das liegt nicht nur am Gewicht (Stratocasters sind in der Regel deutlich leichter als Les Pauls), sondern auch an der völlig unterschiedlichen Mensur. Vereinfacht gesagt: Bei der Stratocaster sind die Bünde und der Hals einfach länger. Klingt anders, spielt sich anders!
Was sagen die Marken aus?
Gibson gibt sich gerne schmucklos. Man empfindet sich in US-Tradition als Gralshüter des Rock. Ihre Gitarren sind teuer, ihr Klientel kann und will sich das leisten — egal, ob es um Les Pauls, Firebirds, ES-335, SGs oder sonst was geht. Wer das nötige Kleingeld nicht hat, greift zu Epiphone, mittlerweile eine Gibson-Tochterfirma. Für wen Geld kein Problem ist, sind Custom-Versionen da. Gibson setzt nicht groß auf Neuerungen, schrille neue Farbtöne werden vom Zielpublikum eher verhalten bis widerwillig aufgenommen.„Play authentic“, so lautet der Slogan der Firma. Gibson versteht sich als das Original, drohte Imitatoren (die ihre Formen und Modelle übernehmen und variieren) ganz offen in einem Video. Dafür musste Gibson Director of Brand Experience Mark Agnesi viel Spott einstecken. Das Video wurde mittlerweile gelöscht, ist aber natürlich dennoch im Netz erhalten geblieben.
Fender indes geben sich offener, moderner. Sie probieren auch mal neue Dinge aus, sprechen auch eine Generation an, die vor Leuten wie Slash nicht in Ehrfurchtsstarre verfällt. Sie veröffentlichen ihre legendären Röhrenverstärker etwa auch in digitaler Version. Sie setzen nicht so sehr auf Ursprünglichkeit und das strenge Hüten eines Erbes wie Gibson. Indie-Bands greifen eher zu Fender, allerdings nicht auf Stratocasters, sondern in der Regel zur Jazzmaster.
Fazit: Fender oder Gibson – was denn nun?
Nehmen wir noch mal Mark Knopfler als Beispiel: Wenn er „Money For Nothing“ spielen möchte, greift er zu seiner Les Paul. Wenn „Sultans of Swing“ auf dem Programm steht, kommt die Fender ins Spiel. Auch Eric Johnson, eigentlich beinahe ein Vollzeit-Stratspieler, braucht hier und dort mal den Gibson-Sound und greift gerne zu einer SG. Und weil viele Gitarristen in den 80ern den Komfort einer Strat mit dem Verhalten einer Les Paul und neuen Möglichkeiten suchten, wurden die sogenannten „Superstrats“ geboren – aber das ist eine andere Geschichte. Stellen wir uns also noch einmal die Frage: Gibson oder Fender? Die Antwort: am besten beides, je nach Einsatzzweck!