GIRLS AND BOYS

Christopher Sabec war überhaupt nicht in der Stimmung, das nächste große Pop-Ding zu entdecken. Er hatte nur tierischen Hunger und wollte in einer Kneipe in Austin/Texas ungestört Mittag essen.

Plötzlich traten drei junge Buben an den Tisch des Musik-Anwalts und fragten höflich: „Entschuldigen Sie, Sir, dürften wir ein Lied für Sie singen?“ Drei Jahre und fünf Millionen Alben später denkt Sabec gern an dieses erste Treffen mit den drei jungen, blonden Brüdern Isaac (17), Taylor (14) und Zac (12) zurück – schließlich hatten sie ihn inzwischen zum reichen Mann gemacht „Ich war echt weggeblasen“, erinnert sich der Advokat an die damalige Tischmusik, „ich sagte ihnen, daß ich sofort mit ihren Eltern sprechen müsse.“ Die Eltern, Walker und Diane Hanson, hatten mehr als ein Jahrzehnt auf dieses Gespräch hingearbeitet, ihre Kinder schon im Vorschulalter an diversen Instrumenten gedrillt und (Mutter Hanson ist von Beruf Musiklehrerin) zu akzeptablen Sängern ausgebildet. Als Vormunde unterschrieben sie den Management-Vertrag mit Sabec für ihre drei Söhne, die nur wenig später unter dem Bandnamen Hanson einen Deal bei Mercury bekamen und mit Hilfe des hippen Producer-Duos Dust Brothers in Windeseile zu internationalen Kinderstars aufgebaut wurden.

Natürlich war die Zeit auf ihrer Sehe. Amerika hatte denselben Präsidenten wiedergewählt, Kurt Cobain war tot und MTV der ewig depressiven Alternative-Anti-Stars überdrüssig geworden. Im Gegensatz zu den für europäische Marktverhäknisse aufgebauten Boygroups wie Worlds Apart oder ‚N SYNC waren die Hanson-Brüder eher so etwas wie die texanische Antwort auf die Kelly Family: lange, jedoch hübsch gepflegte und nur scheinbar lässige Haare, ein offenbar intaktes Elternhaus. Die Konzerte enden um 17 Uhr, damit die Kids (und die Hansons selbst) um 21 Uhr im Bett sind, und als einzige Verfehlung wurde bemängelt, daß sie im Video beim Skaten keine Helme tragen. Hansons Album „Middle Of Nowhere“ war ein Welterfolg, angeschoben von der auf „international“ durchgestylten Hit-Single „MmmBop“. Steve Greenberg, der Hanson zu Mercury holte: „Mmmbop-da-duba-dop oder so ist in jedem Sprachraum der Welt verständlich. Das hat viel gebracht.“ Unter anderem zwei „MTV European Music Awards“.

Wenig gebracht hat es aber, Hanson in Deutschland auf der reinen Boygroup-Schiene zu vermarkten: Das Weihnachtsalbum „Snowed In“ floppte. Hanson scheint die gängige Boygroup-Halbwertszeit erreicht zu haben.

Eine Halbwertszeit, die offenbar auch die Spice Girls nun eiskalt erwischt Hatte das erste Album weltweit noch satte 18 Millionen verkauft, so hängt „Spiceworld“ samt der Single „Spice Up Your Life“ in den Seilen. Die fünf Girls hatten ihren Karriere-Höhepunkt im Sommer 1997 erreicht und so viele Werbeverträge wie möglich abgeschlossen – für Kartoffelchips, Lutscher, Kaufhausketten, Polaroid-Kameras, Sony-Playstations, Pizzen, Deodorants, Supermärkte und Schokoriegel kassierten sie mehr als 50 Millionen Mark. Zusammen mit den Musik-Umsätzen kommt somit jedes der fünf Girls auf einJahres-Einkommen von gut 20 Millionen. Das sollte reichen, um sich nun in Ruhe aufzulösen, auch wenn die Plattenfirma zuckt: Als die Girls im November ihren Manager Simon Fuller feuerten, sank die EMI-Aktie sofort um 19 Punkte. Freuen wir uns auf den Spice-Film. Da sieht man die Mädels womöglich zum letzten Mal so fröhlich.

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