Giftige Liebesgrüße aus Oslo
Ja nein ja “ ja, was denn nun? „Kann ich das sagen?“, fragt Rebekka Bakken. Dabei hatte der Reporter von der Sängerin nur wissen wollen, ob ihre neue Platte auch eine Art von Erleichterung für sie gewesen sei. Weil sie auf dem neuen Album „Little Drop Of Poison“ keine eigenen Stücke singt, sondern ausschließlich Songs von Tom Waits. Also?“Also gut: Ja! Es war eine Erleichterung. Auch weil ich ein paar Knöpfe drücken konnte, die ich mit meinen Songs bisher kaum gedrückt habe.“
Dabei wurde an Knöpfe im Studio noch gar nicht gedacht, als aus Frankfurt die Anfrage von Jörg Achim Keller kam, ob sie nicht Lust hätte, zwei Konzerte mit der HR-Bigband und von ihm arrangierten Waits-Songs zu bestreiten. „Den ganzen Abend nur Balladen?“, fragte sich Bakken damals, wie sie sich jetzt lachend erinnert. In Sachen Waits, den sie Anfang der Neunziger mit Anfang 20 und „Blue Valentine“ schon retrospektiv für sich entdeckt hatte, outet sich die Norwegerin nämlich als „faule Hörerin“: Bis Keller kam, so Bakken, habe sie sich „um die härteren Stücke eher herumgedrückt“ und seine „Easy-Listening-Sachen“ präferiert. Waits? Easy Listening? Das ist ja mal originell.
Jedenfalls hört und sieht, wer sich Ausschnitte aus den Konzerten im Februar 2013 anschaut, Rebekka Bakken, wie sie da selbst mit dem Easy Listening von „San Diego Serenade“ noch eher fremdelt. Auf dem Weg ins Studio ist ihr ein mit Keller ausgewähltes Repertoire vertrauter geworden. Von Oldies wie „Please Call Me, Baby“ über Waits‘ mittlere Phase („Hang On St. Christopher“) bis zu „Bad As Me“, nicht zu vergessen Filmsongs wie „Broken Bicycles“ aus Coppolas „One From The Heart“ und Theater-Stücke („Just The Right Bullets“ aus Robert Wilsons „The Black Rider“). Ja, konzediert Bakken, sie sei „schon überrascht“ gewesen, „dass ich mich so sehr mit diesen Songs identifizieren konnte“. Eine ganz persönliche Resonanz konnte aber wohl nur das Intro von „Christmas Card From A Hooker In
Minneapolis“ zum Schwingen bringen, als Bakken im Spätsommer 2013, inzwischen schwanger, vorm Studio-Mikro stand.
Und wie viel Schauspielerei war sonst nötig, um nicht abzustürzen zwischen Charakter und Karikatur? Rebekka Bakkens universelle Antwort darauf lautet, dass sie gelernt habe, „dass wir praktisch alles sein können, was wir sein wollen. Weil auch Seiten in unserer Persönlichkeit stecken, die wir anderen nicht unbedingt zeigen wollen.“ Zudem wisse sie gar nicht, „was es heißt, eine Schauspielerin zu sein. Aber vielleicht bin ich doch eine? Wenn ich eine sein muss, bin ich jedenfalls furchtbar. Dann wird’s künstlich. Ich habe einfach versucht, eine Figur in diese Songs zu projizieren. Aber es bleibt natürlich immer noch meine Projektion.“
So sei etwa „Bad As Me“, ihr Favorit, „vor allem ein Liebeslied für mich. Also musste ich eine Verbindung zu dem Teil in mir herstellen, der das auch ausdrücken kann. Und so habe ich’s mit allen Songs gemacht. Ja, vielleicht ist das auch Schauspielerei.“ Wenn nicht sogar mal profaner Alltag weiterhalf. „Für ‚What’s He Building?‘ habe ich mich an dieses Haus in Norwegen erinnert, in dem ich mal gelebt habe, mit dieser bescheuerten Frau nebenan, die immer aufgepasst hat, ob ich meinen Müll auch in die richtige Tonne werfe.“
Ihren Müll entsorgt Rebekka Bakken heute in Oslo, nachdem sie die böse Nachbarin hinter sich gelassen hat. Es sollte, sagt sie, doch „für jeden eine Erleichterung sein, sich in die Welt von Tom Waits zu begeben“.