Gewinnen mit der „House Of Cards“-Strategie
Warum Kevin Spacey recht hat, wenn er von den Fernsehsendern mehr Mut fordert - und keinen qualitativen Unterschied mehr zwischen Film und Serie macht.
Die Welt ist schon in Ordnung. Man muss sich ja nicht Miley Cyrus anschauen, man kann sich über andere Dinge freuen. Zum Beispiel darüber, dass Eminem endlich zurückkommt – mit einem Song namens „Berzerk“, in dem er Billy Squier („The Stroke“) sampelt. So bekommt der alte Rocker auch noch mal ein bisschen Anerkennung! Und darum geht’s doch, immer und überall: Anerkennung, Respekt, Vertrauen. Kevin Spacey hat all das auch gerade eingefordert – von den Leuten, die für Fernsehserien verantwortlich sind. Beim „Edinburgh Television Festival“ hielt der Schauspieler eine flammende Rede für mehr Mut bei amerikanischen TV-Sendern. (Für Deutschland gilt das Ganze hoch zwanzig.)
Seine Serie „House Of Cards“ war die erste, die vom Online-Dienst Netflix selbst produziert und nur dort per Streaming gezeigt wurde, bevor sie auf DVD erschien. Für die Produzenten David Fincher und Spacey war das keine Grundsatzentscheidung gegen das klassische Sendersystem, sondern purer Selbstschutz: Sie wollten einfach keinen Piloten drehen, sondern gleich eine gesamte Staffel. Sie wollten Charaktere entwickeln, dafür braucht man mehr als eine Dreiviertelstunde Zeit. Sie wollten Geschichten erzählen und nicht nur Cliffhanger produzieren, die ihnen dann vielleicht eine Weiterproduktion ermöglichen. Jährlich werden 146 Piloten gedreht, berichtet Spacey, doch nur 56 davon gehen in Serie. Die Strategie, erst mal zu testen, ohne sich festzulegen, kostet die Sender 300 bis 400 Millionen. Netflix fehlte der Mut nicht, sie setzten auf „House Of Cards“ – und Spacey sagt heute lachend, wie oft er auf der Straße angesprochen wird mit den Worten: „Danke, sie haben mir drei Tage meines Lebens weggesaugt!“
Wenn die Leute exzessiv eine Folge nach der anderen sehen wollen, warum lässt man sie nicht? Warum gibt man den Zuschauern nicht, was sie wollen – zu einem vernünftigen Preis? Auf welchem Gerät jemand konsumiert – TV, iPad, Computer -, ist dabei doch ebenso gleichgültig wie die Frage, ob eine Fernsehserie weniger wert ist als ein Spielfilm. Seit wann misst man Qualität in Minuten? Mal ganz abgesehen davon, dass inzwischen ganz Hollywood in Serien mitspielt – demnächst auch noch Robin Williams, Jonathan Rhys-Meyers und Beau Bridges.
Spacey sieht die Sache pragmatisch: „Die Leute wollen Geschichten, sie sterben dafür. Sie reden darüber, sie werfen sich rein, sie nehmen sie mit in den Bus oder zum Friseur, sie drücken sie ihren Freunden auf, sie tweeten, bloggen, machen Fanpages auf Facebook, alberne Collagen und Gott weiß, was sonst noch. Sie beschäftigen sich damit mit einer Leidenschaft und Intimität, von der ein Blockbuster nur träumen kann. Und alles, was wir tun müssen, ist: ihnen das zu geben, was sie wollen.“ Natürlich hat er recht – und zitiert am Ende noch einen der größten Filmstars aller Zeiten, Orson Welles: „Ich hasse Fernsehen. So sehr wie Erdnüsse. Aber ich kann einfach nicht aufhören, Erdnüsse zu essen.“
Sehen Sie hier die Rede von Kevin Spacey beim „Edinburgh Television Festival“: