George Michael – Songs From The Last Century
Schwulen-Café trifft Chet Baker: der Kuschel-Pop des letzten Jahrhunderts
Um ihre volle Wirkung zu entfalten, braucht diese Platte ein passendes Setting: Zum Beispiel ein Haus von Frank Lloyd Wright mit offenem Natursteinkamin, vor dem ein schneeweißer Flokati zum Kuscheln einlädt. Dazu sollte ein in Prada gekleideter „Sekretär“ Egg-Nog servieren oder ein paar andere Cocktail-Klassiker aus amerikanischen High-Society-Ski-Orten der Sechziger.
Und wenn dann George Michael seine Lieblingssongs aus den letzten 70 Jahren singt, nein, besser: schmachtet, haucht und gurrt, dann schmilzt nicht nur das Eis im Glas. Diese Musik ist unglaublich soft, künstlich, perfekt und trotzdem keine seelenlose Elevator-Music Denn bei aller Selbstinszenierung als schwuler Dandy hat der Sänger die Essenz der Songs stets begriffen. Seine Stilistik ist nie nur Selbstzweck. In der Version von Police hatte „Roxanne“ immer etwas verklemmt Moralisches, Pseudo-Tolerantes – zu viel Sting eben. Doch wenn George Michael singt: „You don’t have to put on the red light“, dann schwingt in diesem Satz Zuneigung mit, Verständnis, aber auch Trauer über die Schwierigkeiten der Beziehung zu einer Prostituierten.
Natürlich covert der Crooner unter den Popstars überwiegend Jazz- und Soulklassiker: Bing Crosbys „Brother Can You Spare A Dime“ etwa oder das exzellente „The First Time Ever I Saw Your Face“, das sich von Roberte Flacks Version nur wenig unterscheidet, aber trotzdem (oder gerade deshalb?) berührt Neben „Roxanne“ ist das einzige Rockstück der Platte ausgerechnet die Eitler-Rockstar-trifft-fetten-Tenor-Nummer „Miss Sarajevo“. Da möchte man glatt den Flokati wieder einrollen, denn hier wird es nun doch etwas glitschig und seifig.
Trotzdem ist es erstaunlich, mit welcher Eleganz George Michael an einem furchtbar tiefen Kitsch-Abgrund entlang tänzelt: Mal klingt die Platte wie Chet Bakers „It Could Happen To You“, mal wie typische Schwulen-Caft-Musik – was natürlich kein wirklicher Widerspruch ist Aber die meiste Zeit denkt man doch vor allem eins: Dies ist Kuschel-Pop, unpeinlich, von Phil Ramone perfekt arrangiert. Doch im Sommer darf’s dann ruhig auch wieder was Flottes sein.