geisterjägermeister
Vom Klamauk "Babyspeck und Fleischklößchen" bis zu "Lost In Translation" - die Filmkarriere des Bill Murray war immer auch ein Spiel mit den Erwartungen seiner Zuschauer
Bertolt Brecht hätte Bill Murray geliebt. Okay, vielleicht nicht die Pubertätskomödie „Babyspeck und Fleischklößchen“. Aber Brecht glaubte an das Mittel der Distanzierung, ließ seine Akteure direkt zum Publikum sprechen, er wollte Verfremdung statt Illusion, damit die Zuschauer Distanz bewahrten. „Während Identifikation besondere Ereignisse auf das Allgemeine reduziert“, schrieb Brecht, „macht die Distanzierung das Allgemeine besonders und verblüffend.“ über Murray sagte ein Bühnenregisseur, den ich kenne: „Wenn Bill Murray ,lch liebe dich‘ sagt, dann ist er ganz in seiner Rolle und meint wirklich: ,lch liebe dich.‘ Aber er vergisst nie das Publikum und seine Figur – und das Absurde an der Beziehung zwischen beiden.“
Murrays Gebiet ist natürlich die Komödie. Von all den durch „Saturday Night Live“ berühmt gewordenen Komikern dürfte er der lustigste sein, und seinen drolligen Stil halb Schmierlappen, halb Schlaftablette – haben tausend geringere Talente kopiert. Er war Hauptdarsteller in der kassenträchtigsten Komödie aller Zeiten („Ghostbusters“, 1984) und gewann für gewagte Improvisation ein größeres Publikum als jeder seiner Zeitgenossen. Trotzdem wandte er sich von der Komödie ab, spielt jetzt zwar nicht unbedingt in waschechten Dramen, aber doch deutlich weniger lustige Rollen: den von einer Midlife-Crisis Gebeutelten in „Rushmore“, einen saufenden Bauchredner in „Das schwankende Schiff“, den Polonius in „Hamlet“, den Psychiater in „Die Royal Tenenbaums“ und natürlich jetzt den einsamen Schauspieler in „Lost In Translation“. Ob er dafür endlich das verdiente Oscar-Lob bekommt, entscheidet sich kurz nach Erscheinen dieses Heftes. Ob er zur Verleihung geht? Könnte ihn vom Golfen abhalten.
Aufgewachsen ist er in einer irisch-katholischen Familie in einem Vorort von Chicago. Acht Brüder und eine Schwester – der reale häusliche Trubel spiegelte sich in den Eingangsszenen von „Caddyshack – Wahnsinn ohne Handicap“ (1980), der von seinem Bruder Brian Doyle-Murray geschriebenen Golferkomödie. „Unser Zuhause war reines Tohuwabohu“, erinnerte sich Murray, „ein ewiges, klaustrophobisches Chaos.“
„Mein Vater war schwer zum Lachen zu bringen“, erzählte Murray in „Cinderelly Story: My Life In Golf“. „Erwachsene fanden ihn furchtbar lustig, aber seine Kinder konnten ihn kaum knacken. Eine meiner lebhaftesten Kindheitserinnerungen ist, wie ich mal bei einer James-Cagney-Parodie vom Stuhl fiel. Ich stieß mir den Kopf an einem eisernen Tischbein, und das tat furchtbar weh – aber als ich meinen Vater lachen sah, lachte ich mit, obwohl ich gleichzeitig heulte. Das war wahrscheinlich ein Anfang.“
Während Dad die Kinder also auf ein schwieriges Publikum vorbereitete, lieferte Mutter Stoff. „Wir Kinden imitierten am Ende alle Mom“, schreibt Murray. „Vier von uns haben’s im Showbusiness probiert. Oder fünf, wenn man meine Schwester, die Nonne, mitrechnet: liturgische Tänze.“
Wenn sie nicht versuchten, ihre Eltern zum Lachen zu bringenjobbten Bill und seine Brüder als Caddies auf dem örtlichen Golfplatz. MitdemGeld bezahlte Bill die Gebühren für eine Jesuiten-Highschool. Allerdings flog er vor dem Abschluss, weil er mit Marihuana erwischt worden war. Plötzlich sah Comedy doch ganz verlockend aus. Ende der 60er war „Chicago’s Second City“ eine der bekanntesten Improviationstruppen in ganz Amerika. Murray, der 1973 zu „Second City stieß, kam sofort sensationell an, erinnert sich der Leiter, Sheldon Patinkin: „Man konnte die Augen nicht von ihm lassen, wenn er auf der Bühne war – weil in dem Kerl so viel vor sich ging. Er wirkte richtig gefährlich.“ Das war nicht nur Schein: Der Legende nach ging Murray eines Abends auf einen Störer im Publikum los und schrie: „Scheiß auf dich und deine Freundin!“
Murray stieg zusammen mit seinem Bruder und John Belushi (auch aus Chicago) bei der „National Lampoon Radio Hour“ ein. 1976 verließ dann Chevy Chase „Saturday Night Live“, und Murray nahm seinen Platz ein. Die Show wirkt heute oft abgedroschen und peinlich, aber die ersten Staffeln machten damals Furore. Was zur Primetime „ging“ und was nicht, war klar geregelt, und ab 23:30 Uhr glich NBC einem Irrenhaus unter Leitung der Patienten.
Murray war also auf Hollywood gut vorbereitet. Seine frühen filmische Vorstöße verdienen wenig Lorbeer; immerhin beschränkte er sich nicht darauf, seine erfolgreiche „SNL‘-Figur auszuspielen, sondern wollte mehr bieten. In „Caddyshack“ spielte er 1980 einen dementen Platzwart und Vietnam-Veteranen, der die Nager, die seinen Rasen ruinieren, mit den Vietkong gleichsetzt und das Gelände mit seinen Rettungsversuchen am Ende völlig zerstört.
Zusammen mit Harald Ramis – auch vom „Second City“-Ensemble- drehte Murray nette,anspruchslose Komödien wie „Ich glaub, mich knutscht ein Elch“ und „Babyspeck und Fleischklößchen“. Bemerkenswerten seine Rolle als Amerikas berüchtigtster Journalist Hunter S. Thompson im selten gezeigten „Blast – Wo die Büffel röhren“. Wahrlich kein Meisterwerk, aber Murray spielt den nuschelnden, paranoiden Thompson perfekt und auf den Punkt.
Das zahlte sich aus, als er mit einemanderen „SNL“-Star, Dan Akroyd, den phänomenal erfolgreichen „Ghostbusters“ drehte (Regie: Ivan Reitman). Dank schleimiger Spezialeffekte, einem cleveren Drehbuch und dem grauenhaften Titelhit von Ray Parker Jr. folgten ein Sequel und eine Zeichentrickserie, und ab da war Murray ein Kassenmagnet.
Derart gestählt, verblüffte er die Branche mit einer Version von W. Somerset Maughams „Auf Messers Schneide“. Leider mangelte es Murray für die komplexe Rolle an schauspielerischer Reife – der Versuch sei ihm angerechnet.
In den 90ern wuchs mit dem Ruhm auch seine Aversion dagegen. Offenbar hatte er Angst, zu einer der Gestalten zu werden, die er sonst parodierte. „Immer wenn ich einen Star .Meine Fans‘ sagen höre, greif e ich zum Gewehr“, sagte er der „New York Times“ in einem seiner seltenen Interviews. Und obwohl er seine Fans selten düpiert (er ist bekannt dafür, dass er großzügige Trinkgelder und gar Autogramme gibt), hat er sein Privatleben privat gehalten (er war zweimal verheiratet und hat fünf Kinder).
Auch sein Gefühl für die richtigen Filme entwickelte sich im Lauf der Jahre, wenngleich langsam. In „Sein Name ist Mad Dog“ bestand er neben Robert de Niro als psychotischer Gangster, der gleichzeitig mit Stand-up-Comedy Erfolg hat. Auch „Ein verrückt genialer Coup‘ (1990), den er zusammen mit Regisseur Howard Franklin schrieb und produzierte, passte gut zu ihm: Ein Vietnam-Veteran raubt als Clown verkleidet eine Bank aus – und muss dann fast den ganzen Film über versuchen, aus New York herauszukommen. Seine perfekte Rolle aber fand er als anfangs unsympathischer Wettermoderator in „Und täglich grüßt das Murmeltier“ (1993): Murray ist dazu verdammt, denselben Tag immer wieder zu erleben, und seine Unsicherheit und die scheinbar unwichtigen kleinen Gesten bekommen mit jeder wiederholten Szene mehr Bedeutung.
Allerdings scheinen ihm Filme nicht mehr so viel zu bedeuten, seit er öfter bei Golfturnieren auftaucht. Dort hat er in gewisser Weise seine Bühne gefunden und gibt den Clown vor einem Publikum, das für jeden Unsinn dankbar ist. „Als ich damals über den Platz lief“, erinnert er sich an seinen ersten Auftritt als Golf-Entertainer, „sah ich förmlich, wie sich die Leute auf“ den Rängen nach einem Ventil sehnten, um ihre Anspannung loszuwerden. Man muss sie nur ab und zu zum Lachen bringen.“ Natürlich spendet er die Gagen.
Und wenn er nicht gerade golft oder bei seinen Kindern ist, nimmt er sich auch mal Zeit für einen neuen Film. Auf Drängen von Drew Barrymore hin spielte er 2000 in „Drei Engel für Charlie“ mit – erstaunlicherweise: „Immer wenn wir den Agenten von Bill anriefen, um uns über den Stand der Dinge zu erkundigen, hieß es, sie könnten ihn nicht finden“, erinnerte sich Produzent Leonard Goldberg. „Immerhin: Ein paar Mal ist er gesichtet worden.“
Kinogänger haben ihn seither in diversen Rollen gesehen: Als Winkeladvokat mit Halskrause im ansonsten albernen Erotik-Verwirrspiel „Wild Things“, als Sex-Therapeut in der Farce „Speaking Of Sex“, als Gameshow-Kandidat in Harold Franklins „Press You Luck“ oder in Steven Soderberghs Remake des Las-Vegas-Klassikers „Ocean’s Eleven“, in dem er, klar, einen Lounge-Sänger spielt. Für „Die Royal Tenenbaums“ arbeitete er wieder mit Regisseur Wes Anderson. Und jetzt also „Lost In Translation“, der bei Kritik und Publikum so eingeschlagen hat.
Man bekommt das Gefühl, dass Murray in Sofia Coppolas Film alles ausspielt, was er in über 30 Jahren als Schauspieler mitgenommen hat. Wie er, allein am Tisch, in der Bar des fremden Tokio-Hotels sitzt, durch den Raum hindurch den ersten Augenkontakt zu Scarlett Johansson aufbaut – sein Blick eine Mischung aus Süffisanz, leicht zynischer Amüsiertheit über das Treiben um ihn herum, Melancholie, vorsichtiger Zuneigung und propfaner körperlicher Müdigkeit. Und als er am Ende der Szene aufsteht, sieht man, dass er noch immer die Klammern vom Foto-Shooting hinten am Anzug trägt. Er bleibt komisch.
ich jetzt einen Actionfilm mache, dann werde ich in Mitteleuropa berühmter“, oder so. Aber ich denke normalerweise nicht so. Obwohl das so zum Spaß auch mal ganz lustig sein könnte. Einen Film wie den von Sofia wollte ich schon lange mal machen, weil romantische Filme mit Gefühl und Herz und Intelligenz meines Erachtens sehr selten sind. Ich dachte mir: Was ich übers Filmemachen gelernt habe, müsste mir in diesem Fall helfen. Ab ihr Drehbuch kam, dachte ich also: „Hotdog!“ Wenn man lange genug im Fluss schwimmt, treibt irgendwann auch mal Futter vorbei. Ich bin ein Barsch im Glück. Ein großer Barsch in einem schönen Fluss.
Man sah zuletzt ja viele amerikanische Lomedystars wie Robin Williams, die ernstere Rollen angenommen haben, um ihr Image aufzupolieren. Irgendwie haben Sie das geschafft, ohne überhaupt das Fach zu wechseln.
Naja, es kommt halt immer darauf an, was einen lockt. Den Film, der düster genug für mich ist, haben sie noch nicht gefunden. Ich bin düsterer als diese Jungs. Mit mir verglichen sind das Amateure. Wobei es ja nicht unbedingt ein Karriere-Schachzug sein muss, wenn einer mal das Gegenteil von dem spielt, was er sonst macht. Ich glaube nicht, dass die alle ihr Image auf den Kopf stellen wollen. Aber es ist halt schwer, vielseitig zu sein, wenn einen die Leute immer in irgendeine Schublade stecken wollen. Manchmal muss man dann aggressiver vorgehen und etwas annehmen, was seltsamer ist als das, was man sonst gemacht hat. Einfach, um klarzustellen: „Ich habe auch ganz andere Seiten.“ Aber im Grunde glaube ich, wenn man einfach macht, was einem gefallt, dann wird das schon. Bei mir funktioniert’s jedenfalls.
Wenn man so arbeitet wie bei „Lost In Translation“, ist das dann anders als bei einem großen Studiofilm?
Wie gesagt, ich will nur die besten Drehbücher; die, die mir gefallen, aber ansonsten ist es ganz leicht, so zu arbeiten. Es war völlig unkompliziert Angst macht einem nur, dass halt kaum Geld da ist und keine Unterstützung, und dass alles so schnell gehen muss. Aber das Schlimmste, das Beängstigendste beim Film ist, dass immer irgendjemand die ursprüngliche Vision ruinieren kann. Sie kann editiert, schlecht geschnitten, zerhackt, verstümmelt werden. Man hat ein Werk, man hat etwas geschaffen, und dann wird das kaputtgemacht – das ist das Schlimmste. Und die Studios scheinen gute Bücher nicht zu fördern, irgendwie interessiert die das gar nicht. Die interessiert nur, was zuletzt gut gelaufen ist. Und Geld verdienen, das nehmen sie natürlich sehr ernst. Das ist gar nicht verkehrt, aber man muss sein Geld ja nicht die ganze Zeit auf dieselbe Art verdienen. Leute, die mal auf eine andere Weise unterhalten und ihren Standpunkt vertreten, die sind selten.
Sofia Coppola hat angedeutet, Ihre Figur, Bob Harris, ein alternder Schauspieler, der in seiner Ehe ein Routineproblem hat, enthalte auch Züge ihrer selbst. Man kann sich schwer vorstellen, was für Seiten das sein sollen.
Wie wär’s zum Beispiel einfach mit der Einsamkeit? Der Trennung? Sie hat schließlich Zeit in diesem Hotel verbracht. Das ist ein einschüchternder Ort. Die Lobby, wo man eincheckt, liegt im 50. Stock! Man steigt aus, hat noch nicht mal ein Zimmer und ist schon 150 Meter hoch in der Luft. Das ist richtig unheimlich. Und man ist in den Wolken. Da fühlt man sich isoliert. Fast wie in einer Raumkapsel. Die Bars sind im 90. Stock, oder fast so hoch, und du weißt: Die Wolken sind unter dir. Da oben fühlt man sich total allein. Man blickt durchs Fenster auf diese gewaltige Stadt – und kann noch nicht mal die Speisekarte entziffern.
Kennen Sie selbst diese Einsamkeit auch? Wenn Sie – wie Bob Harris – für einen Job unterwegs sind, sind Sie ja auch getrennt von Ihrer Familie.
Natürlich. Das kennen wir doch alle. In einem Job wie meinem, wo man viel reist – es macht Spaß, es ist toll, die Sonne scheint, wir sind in Venedig… was soll daran schlimm sein? Aber es gibt Augenblicke, da bist du auf einmal in deinem Hotelzimmer, und es ist kein Mensch da außer dir. Da hilft kein Fernseher, keine Zeitung, kein Radio, da bist nur du, und du bist allein.
Was hilft da?
Naja, man kann zu Hause anrufen und hat vielleicht auch das Gefühl, dass sich das jetzt gehört. Aber das hilft auch nicht Weil der andere oft keinen Kontakt zu einem herstellen kann – man ist nun mal
getrennt, und es gibt einfach Dinge, die übers Telefon nicht funktionieren. Und die Tageszeit spielt auch eine Rolle. Die Szene, in der Bob in der Badewanne liegt und seine Frau anruft – das ist Trennung, das kennt jeder, so eine Situation, wo nichts, was man sagt, richtig ist. Nichts passt. Es wird einfach schlimmer und schlimmer und schlimmer. Und die Person am anderen Ende will einfach nicht auflegen. Das ist das Schlimme. So geht mir das. Man wünscht, der andere würde einfach sagen: So, jetzt hab ich keine Lust mehr auf dich, ich legjetzt auf- aber das passiert nie. Sie lassen dich schmoren.
Wenn mich also diese Einsamkeit packt, hilft keine Ablenkung. Keine. Ich fühl mich aber immer verpflichtet, dann wenigstens bereichert zurückzukommen. Mehr aus mir selbst zu machen und das mitzubringen, damit ich mich nicht so schuldig fühle dafür, dass ich weg war. Wenn ich an mir arbeiten kann, mich irgendwie engagieren kann und möglichst aufmerksam und bewusst durchs Leben gehe, dann geht’s mir nicht mehr so schlecht. Das ist wie am Ende des Films, als Bob die Wahl hat, etwas zu tun oder zu lassen – wo er dann noch aus dem Auto steigt und zu ihr geht. Er trifft eine Entscheidung, und als er danach wieder im Auto sitzt, hat er so das Gefühl: „Okay, jetzt kann ich endlich gehen. Ich hab nicht einfach nichts getan.“
Was war Ihr einsamster Moment bisher?
Ich glaube, als meine Mutter starb. Mein Vater starb, als ich noch jünger war; und als meine Mutter starb, ging mir auf: Jetzt bin ich ein Waise. Es war seltsam. Ich hätte es ja kommen sehen können, aber ich hatte ganz plötzlich dieses Gefühl: Jetzt bin ich ein Waise. Und schon dieses Wort, Waise – dass jetzt keiner mehr für mich zuständig ist, das bringt einen aus der Fassung. Ich muss fast heulen, wenn ich nur daran denke.
Wie alt waren Sie da?
Als meine Mutter starb? Das war vor neun Jahren. Sie war schon eine ganze Weile krank gewesen, aber ich hatte nie drüber nachgedacht Ich dachte nur an sie. Und plötzlich ist man allein. Nie zuvor hatte ich mich so allein gefühlt In dem Moment war das wie: Bei wem soll ich mich jetzt ausheulen?
Als ich Sie als Bob im Kino sah, hatte ich das Gefühl, Sie zeigen mehr von sich als sonst. Sie wirkten irgendwie nackter. Gleicht Ihnen die Figur mehr als frühere Rollen?
Vielleicht Ich glaube an alle Gefühle in diesem Film. Alle diese Gefühle – wenn man die Punkte verbindet… Ich bin nicht der Einzige, dem es so geht, aber ob die Fragen nun wahrhaftig oder falsch sind die Antworten stimmen alle. Die Antworten in dieser Geschichte sind alle wahr.
Hatten Sie das Gefühl auch schon bei der Lektüre des Drehbuchs?
Naja, ich las es, oder guckte so drüber – ich bereite mich nie übertrieben gründlich vor – und hatte das Gefühl, bei diesem Film mit seinem sehr sparsamen Drehbuch und den wenigen Dialogen, muss ich emotional für alles absolut zugänglich sein; emotional verfügbar für alles, was passiert. Also achtete ich sehr darauf, mich selbst aus dem Weg zu nehmen und einfach immer für die Stimmung zugänglich zu sein, die der Boss in einer Szene anlegte. Und für alles, was von Scarlett Johansson (der weiblichen Hauptdarstellerin, d. Red.) kam, denn ich musste auf eine Art alles akzeptieren, was sie mir als Mensch und als Schauspielerin gab. Das läuft beim Drehen genauso wie in der Geschichte. Ich reagierte sozusagen ganz natürlich, weil ich nicht schon zugestopft war, und konnte
richtig und wahrhaftig auf sie reagieren. Ist das irgendwie nachvollziehbar?
Manche landen es ja schwer zu glauben, dass Bob die Figur von Scarlett Johansson nicht zu verführen versucht. Finden Sie es realistisch?
Ja. Ich war auch schon in dieser Situation. Schon oft. Es gibt immer diesen Moment, wo man sich entscheiden muss. Was mach ich jetzt? Wir kennen das alle. Die andere Möglichkeit ist leicht. Sich dagegen zu entscheiden ist viel schwerer. Aber es fühlt sich hinterher großartig an. Auch in dem Film. Ich finde, das Schwierige ist, sich tatsächlich auf die Situation einzulassen und sich diesem neuen Menschen wirklich ganz offen hinzugeben und etwas wie Liebe und Intimität zu teilen – und trotzdem nicht zu kompromittieren, was man in seinem Leben bereits etabliert und gepflegt und aufgebaut hat. Und das eigene Leben und das der anderen Person und ihre Zukunft zu respektieren. Das, was sein wird, wenn man wieder auseinandergeht.
Das Mutige an diesem Film ist, dass er… ich rede so ungern von Moral, aber: Da spielt eine Lebensethik mit, die wir alle haben, und die nie ausgelotet wird. Wir sehen das Ergebnis. Hinterher. In der Zeitung von morgen. Aber der Moment wird nie betrachtet, der Moment hat nie Zeugen, der Moment wird nie untersucht und als etwas ganz Normales und Menschliches gezeigt. Verstehen Sie?
Und die Dreharbeiten? Sofia wirkt immer ganz ruhig. Ist sie das auch beim Dreh?
Sie wird nie richtig laut oder bläst sich auf. Sie hat auch keine Messer ans Bein geschnallt. Sie ist kein Brüller. Sie wirkt höchstens manchmal leicht enttäuscht oder müde. Bei unserem Film war der Jetlag extrem. Der Jetlag, wenn man nach Japan fliegt, ist echt schlimm, und er hält wochenlang an. Unser Pech war, dass wir, als wir uns endlich umgestellt hatten, von Tagesdrehs zu Nachtdrehs wechselten. Das war hart. Wir wurden den Jetlag nicht los, das ging von Anfang bis Ende nicht weg, weil das Zeitgefühl immer auf dem Kopfstand. Darum wirkte Sofia manchmal sehr müde, und dann musste man sie ein bisschen auf Trab bringen. Zum Beispiel mit Kissen nach ihr werfen. Wir drehten ja viel in diesen Hotelzimmern, also begruben wir sie unter Kissen und rauften ein bisschen mit ihr, um sie aufzuwecken. Sie ist ein richtiger guter Kamerad.
Ein anderer Film von Ihnen, „Und täglich grüßt das Murmeltier“, gilt ja zunehmend als Klassiker. Wie finden Sie den heute? Ich glaube, der ist jetzt mein Zweitlieblingsfilm. Der neue ist mein liebster. Es ist einer der besten Filme, bei denen ich je dabei war, und auch einer der besten, die ich überhaupt kenne. Und allein vom Buch her einer der besten zeitgenössischen Filme. Ich glaube, viele mögen „Murmeltier“, weil er sie an etwas erinnert, auf eine ganz freundliche und gutmütige Weise, nämlich an die Verpflichtung, die man sich selbst gegenüber hat Manchmal auch etwas Höherem gegenüber. Dass das Leben jeden Tag gleich sein wird, wenn man sich nicht ändert, wenn man nicht an sich arbeitet. Das ist jedenfalls das, was ich anstrebe, und woran ich immer wieder scheitere. D