Gedichte und gekonnte Genre-Gängelung: Why? live in der Berliner Volksbühne
Gestern spielten Why? mit neuem Material in der Berliner Volksbühne.
„Beim Schreiben ist es wie mit der Prostitution. Zuerst macht man es aus Liebe, dann für ein paar Freunde und dann für Geld.“
Das Große Haus der Berliner Volksbühne öffnet dieser Tage des Öfteren seine Pforten für lyrische Hochformen. So erst vorgestern für Molière, dem auch das eben genannte Zitat zuzuschreiben ist. Sein „Don Juan“ gab es in einer Neuinszenierung auf eben genannter Bühne.
Heute wird es erneut schwere Brocken geben, diesmal österreichisch-ungarische Schreibkunst. Aufgeführt wird Ödön von Horváths „Liebe, Glaube, Hoffnung“. Aber genau in die Lücke, die der Tag dazwischen aufklaffen lässt, hat man einen anderen Künstler mit Wort-Jonglierereien gesetzt: Why? spielten gestern ihr Konzert in der Volksbühne.
Die groß aufgefahrenen Bühnenarrangements der Band verweisen auf ein höheres Inszenierungs-Budget. So erblickt man gleich zwei instrumentale Bastarde aus Schlagzeug, Xylophon und Klangholz, die zusammen mit Synthesizer und der Bassgitarre den schaukelnden Beat für die gekonnt vorgetragenen Rap-Einlagen Yoni Wolfs vorgeben. Die verqueren Texte dazu sind schon lange Markenzeichen der Band und bieten einigen Interpretationsspielraum. Aus welchen Gründen Wolf die Songs dann auch vorträgt, sei es aus oben schon erwähnter Herzenssache, Freundschaft oder Geldgründen, bleibt dahin gestellt. Schön ist das auf jeden Fall schon.
Groß geschrieben ist aber sicherlich auch die Freude am Genre-Mix. Diesen erwähnt Molière zwar nicht in obigem Zitat, dennoch vermischte dieser zu seiner Zeit Komödie und Tragödie zu einer funktionierenden Bühnenkomposition.
Why? tun es dem Schriftsteller nach, wenn auch nach vollkommen anderer Spielart. So verschmelzen bei der Kombo Stilrichtungen, die sich irgendwo doch mal konträr gegenüber standen. In „Strawberries“, Auskopplung aus dem neuesten Longplayer „Mumps, etc.“, wird das dann gleich in zweiter „Szene“ eindrucksvoll bewiesen.
Mit Xylophon und Rasseln schießt man hier erst in Richtung Indie-Pop, hat dann auch die passenden choralen Einflüsse parat, pfeift tatsächlich live, und lässt den Hauptdarsteller Yoni Wolf als tanzende und nasal-singende Marionette agieren, der sich absolut synchron zu der Soundkulisse präsentiert.
Wie diese Art der speziellen Performance heißt, erläutert der Sänger mit Charme: „Drunken Style, Motherfuckers“. Wenn Yoni mit schaukelndem Beats anfängt zu rappen, weiß man dann aber spätestens, dass man hier auch von HipHop zu sprechen hat. Eindrucksvoll gelingt der Stilmix hier an diesem Ort. Klanglich macht die Band einfach alles richtig.
Jetzt wurde aber ja schon angesprochen, dass die Volksbühne eher für diverse Aufführungen aus der Theaterwelt herhält. Und wie das mit gehobenen Veranstaltungen so ist, konsumiert man sie in sich horchend und sitzend. Das passt dann am Ende doch leider so gar nicht in die Vorstellung einer explodierenden HipHop-Indie-Performance und auch das Publikum ist irritiert. Erst nach dem 12. Song taut dieses teilweise auf und steht vereinzelt auf. Eine einzelne Person am Bühnenrand traut sich, gestenreich herumzuspringen. An dieser Stelle bietet sich das Wort 8-Mile-Gangster-Moves mit einem erhobenen Arm durchaus an, auch aus Ermangelung eines besseren Begriffs. Und bevor man richtig warm ist, ist das Konzert leider auch schon wieder vorüber. Für die zwei Zugaben dreht Yoni Wolf noch einmal auf, leider wird aber fast nur das Kopfnicken im Takt der Musik der Zuschauer geschmeidiger. Unter beträchtlichem Applaus verabschiedet sich die Band dann, die wegen der vielen, eingesetzten Instrumente die einzig ausgelaugten Personen in diesem Raum darstellen.
Bleibt nur zu hoffen, dass das nächste Mal, wenn man die Band erleben kann, das Bühnenbild wechselt und man Raum dafür hat, seine Begeisterung für Why? dann auch auszuleben. Vielleicht kann man es ja so sehen: Gestern durften wir bei der Generalprobe der Band dabei sein, im Frühling kommt sie noch einmal. Wenn dann (der gestern nicht vorhandene) Vorhang fällt, ist man hoffentlich heiser und durchgeschwitzt.