Gebumst wurde nicht
Für Torsten Groß war seine Ring-Premiere trotzdem wie eine Defloration.
Als meine Mutter in jenem Frühjahr 1985 sagte, sie wolle mit mir zu Rock am Ring gehen, hielt ich für einen Moment den Atem an. Natürlich hatte ich schon Konzerte gesehen: Shakin‘ Stevens im Aachener Eurogress. Udo Lindenberg und Helen Schneider in der Parkhalle in Iserlohn. Aber das hier war anders. Größer vor allem. Und aufregender. Wir bauten ein kleines Zelt auf und es war ein sehr verschwörerischer Moment zwischen Mutter und Sohn. Die später gerne bemängelten hygienischen Missstände fielen mir nicht auf, die damals noch zahlreich in der Gegend stationierten betrunkenen Amerikaner – am zweiten Tag allesamt mit Hautverbrennungen im kritischen Stadium ausgestattet – empfand ich als bedrohlich. Und irgendwie faszinierend.
Interessant ist ja immer, wer sich am Ende gehalten hat: REO Speedwagon und Huey Lewis sind inzwischen Namen wie aus einer anderen Galaxie. Chris de Burgh wollte den Fährmann nicht bezahlen, Rick Springfield kannte ich aus dem Radio, ebenso Foreigner und Saga. Ich bestaunte Cockers Verrenkungen, gönnte meiner Mutter Gianna Nannini und vernahm Westernhagens Aufforderung, es möge noch viel gebumst werden. Bono Vox ackerte unablässig, erklomm Traversen, rannte die Boxengasse runter und am Ende hatte er uns alle. Bald darauf kaufte ich alle bis dahin erhältlichen U2-Platten. Und weil ich mit 14 noch nie von The Clash gehört hatte, konnte ich mich vorurteilsfrei für den Auftritt der Clash-Adepten The Alarm begeistern. Unbedingt wollte ich auch diese spitzen Stiefel haben, wie sie Mike Peters trug. Mit silbernen Schnallen. Aber bei Deichmann in der Aachener Fußgängerzone gab es sie nicht!
Nach zwei Tagen fiel ich ins Bett. Gebumst (sagt das heute noch jemand?) wurde nicht, aber ich schlief glücklich und erschöpft ein.