Ganzkörpereinsatz vs. Gelassenheit
BERLIN, POSTBAHNHOF.
Die Alternative-Klasse von 1991 ist ja nun auch schon im vorgerückten Pop-Alter. Da fällt es schwer, die alten Kämpen auf einen Samstagabend noch zu mobilisieren. Die jungen Coolen gehen hier sowieso nicht hin. Im großen Saal des Postbahnhofs kann man beim Konzert der Gutter Twins jedenfalls bequem bis an den Bühnenrand spazieren, was ja Detailstudien erleichtert.
So fällt auf: Gegensätzlicher als Greg Dulli und Mark Lanegan können Sänger nicht sein. Ersterer ist der Prototyp des Anstrengungssängers mit Ganzkörpereinsatz. Meist schreit er mehr als zu singen – während die Töne aus dem gewohnt unbeteiligt wirkenden großen Stoiker Lanegan wie von selbst herauszufließen scheinen. Die Bühnenaufstellung irritiert: Der mittig platzierte Lanegan hält nach allen gültigen Regeln den Frontmannstatus inne, den klassischen Rock-Animateur gibt aber nur Dulli. Ständig will er Hände sehen und Chöre hören. Der Gesang des einstigen Ober-Afghan-Whigs erinnert in solchen Momenten bisweilen an den des nordinschen Designer-Bluesers Gary Moore.
Musikalisch ist es ein stetiges Auf und Ab: Mal singen sie sich gegenseitig in einen Rausch, so bei „Idle Hands“. Dann wieder schaukelt alles gemächlich und gleichförmig dahin ähnlichen Tempi und Tonlagen geschuldet. Eine namenlose Band verrichtet Dienst nach Vorschrift, der famose Schlagzeuger ist erst 17. Launiger wird’s, als Lanegans „Methamphetamine Blues“ eine Strecke mit Songs aus den jeweiligen Back-Katalogen eröffnet. Dulli streut jetzt Zitate von „The Joker“ bis „Baby I’m Gonna Leave You“ ein.
Vor allem dank Lanegan war es am Ende doch die bessere Entscheidung, nicht dem im Nebenraum ausgestrahlten DFB-Pokalfinale den Vorzug gegeben zu haben.