Gangster mit kaputtem Herz
Paul Smith und Maximo Park haben es bunt getrieben, als der Erfolg kam. Ist die Welt jetzt wieder schwarz-weiß? Nein, sagen die Jungs aus Newcastle: Sie ist nur wesentlich komplizierter.
Es hat nicht nur gute Kritiken gegeben, als Maximo Park Ende Februar in ihrer Heimatstadt Newcastle die Rückkehr auf die Bühne feierten. Einige allzu eifrige Kritiker beklagten das fehlende Charisma von Sänger Paul Smith, der wohl sicher wieder viel herumgesprungen, aber am Ende eben doch nur ein einfacher Junge aus Newcastle sei.
Wenn jemand so etwas sagt, dann ist das als Seitenhieb auf das zweite Werk der Nordengländer gemeint, jenen gespannt erwarteten Nachfolger zu „A Certain Trigger“, mit dem sich Maximo Park 2005 in Windeseile eingereiht hatten in die von Franz Ferdinand angeführte Reihe musikalischer Rockretter und Pop-Propeller. Denn „Our Earthly Pleasures“, die neue Platte, ist nicht so hemdsärmelig, unmittelbar und straßenköterig wie das Debüt, sondern will höher hinaus. Mit härteren Gitarren, lauteren Drums, klareren Arrangements und Hymnen, die nun für alle als solche erkennbar sind.
Und das muss Einigen daheim sauer aufstoßen, denn mehr noch als die Kollegen betonten Smith, Gitarrist Duncan Lloyd, Bassist Archis Tiku, Keyboarder Lukas Wooller und Trommler Tom English ja ihre Herkunft – mit dem stolz vorgezeigten Akzent, den geschmierten Seitenscheiteln und der billigen Mode, die sich nicht wirklich aus der heruntergekommenen Nachbarschaft verabschieden wollte, sondern nur ein trotziges Symbol für Individualität und sozialen Aufstieg war.
Doch das war damals. Inzwischen haben Maximo Park wohl nicht die ganz großen Hallen gefüllt, aber es doch zu deutlich erkennbarem Ruhm gebracht. „Zu Hause kommen die Leute in den Pubs zu mir und sagen, hey, man, deine Musik bedeutet mir was“, erzählt Smith, „aber dann sagen sie mir auch mit aggressivem Gesichtsausdruck, dass sie selbst in einer Band spielen und es mir bald zeigen werden. Eine seltsame Mischung aus Identifikation und Rivalität ist das. Ich kann die Haltung verstehen, aber von meiner Perspektive aus ist sie ziemlich scheiße.“
Trotz all des Kokettierens mit Hüten und Haarschnitten geht es auf dem zweiten Album von Maximo Park um Musik, nicht um Attitüden: „Our Earthly Pleasures“ ist eine sehr selbstbewusste, bei allem Drängen in sich ruhende Platte, die kein Sozialkommentar ist, sondern der souveräne musikalische Ausdruck einer deutlich gereiften Band. „Die erste Platte war scharf geschnitten, auf den Punkt“, erklärt Lloyd, „ein knappes Statement, fertig. Diesmal war das völlig anders. Wir waren zwei Jahre lang auf Tour und mussten unsere Songs in immer größeren Hallen zum Leben erwecken. Wir stellten fest, dass wir diese Räume tatsächlich mit unserer Musik füllen können. Da dachten wir, es wäre doch toll, das auch auf der Platte hören zu können.“ Smith ergänzt, dass viele der neuen Songs bei Soundchecks entstanden seien und man eben entsprechend zur größeren Geste aushole. „Some people show their emotions/ And some people show too much/ I’m aiming for something central/ Now isn’t it obvious?“, singt Smith in einem melancholischen Höhepunkt der Platte, einem Lied namens „Nosebleed“. Ein bisschen könnte man diesen Satz als Motto verstehen. „Die Texte versuchen eine Standortbestimmung“, sagt Smith, „alles umkreist unsere Leidenschaften und das Leben an sich, das ja jeder so führen muss, wie er es für richtig hält. Aber was ist das, unsere Leidenschaft? Und wie nutzen wir unsere Zeit, um herauszufinden, was uns erfüllt? Wir versuchen ja alle, unsere Löcher zu stopfen und unsere Einsamkeit zu überwinden. Aber es gibt ja keine Regeln. Oder doch? Ich habe in den letzten zwei Jahren viel ausprobiert, um darüber Klarheit zu bekommen. Und, ja, die Platte untersucht, warum ‚wir tun, was wir tun und zu was für Ergebnissen es führt.“
Obwohl Smith ein hellwacher, konzentrierter Gesprächspartner ist, kann man seinen manchmal sehr vagen Erklärungen nur ungefähr folgen, sowie man auch seine Lyrik nur intuitiv verstehen kann, vielleicht auch soll. „Etwas verwirrt“ sei er, bestätigt Smith, und also bildet „Our Earthly Pleasures“ den unaufgeräumten Zwischenstand ab. Und der besteht offenbar aus vielen gescheiterten Beziehungen, verkorkstem Miteinander und der besagten Einsamkeit, die sich nicht vertreiben lässt. Doch all das ist durchzogen von einer Art feierlichen Verzweiflung und einer schmerzhaften Romantik, die Maximo Park in den guten Momenten auch musikalisch abbilden – eine britische Tugend, die man feiern muss, wenn sie zum Vorschein kommt.
Man hatte das ja gehört von Smith: Dass er nichts hat anbrennen lassen während der letzten zwei Jahre und sich nach den wilden, Adrenalin-geschwängerten Auftritten noch in jedes Nachtleben gestürzt habe, inklusive reuevollem Erwachen am nächsten Morgen. „Lass uns einfach sagen, ich hatte viele Bedürfnisse während dieser Zeit, und ich habe sie alle bis ins Letzte erforscht“, sagt er und belässt es dabei.
Im Gegensatz zu einigen Kollegen haben Maximo Park den Marathon nach eigenen Angaben gut überstanden und fühlen sich nun bereit für die zweite Runde. „Unsere Leidensfähigkeit und Ausdauer sind sicher hart auf die Probe gestellt worden“, sagt Smith etwas zögerlich und denkt offenbar an die Forschungsreisen auf der Suche nach dem Herz der Samstagnacht, „aber wir haben auch gelernt, unsere Kräfte einzuteilen. Auf dem Plan für dieses Jahr stehen Südamerika und viele andere Orte, an denen wir noch nie waren – für mich funktionieren wir vor allem als Live-Band, die den Menschen etwas geben kann. Also ist eine vollgepackte Welttournee eine fantastische Aussicht.“
Zumal für einen einfachen Jungen aus Newcastle.