G3 mit Joe Satriani in Berlin: Beherztes Gniedelfest – aber leider ohne Steve Vai
Joe Satriani lud mit John Petrucci und Uli Jon Roth zum G3-Gitarrengipfel ins Berliner Tempodrom. Eine Akrobatikveranstaltung dreier Virtuosen, die etwas unter den Klangverhältnissen litt.
Das Konzept G3 steht seit mittlerweile zwanzig Jahren: Gitarrenvirtuose Joe Satriani lädt zwei hochrangige Kollegen samt Begleitbands zum gemeinsamen Touren. Die Sets sind deutlich kürzer als Headliner-Shows, dafür findet am Ende des Konzerts ein gemeinsamer Jam statt. Auch dieses Jahr bat der 61-Jährige zur Gitarrenschau – im Dreierpack mit John Petrucci (Dream Theater) und Uli Jon Roth (Ex-Scorpions).
Das Berliner Tempodrom hat merklich viele leere Plätze, als Roth die Bühne betrat. Roth gilt nicht nur als Vorreiter der neoklassischen Rockgitarre (und damit als Ermöglicher für den bekanntesten Fachmann dieser Richtung, Yngwie Malmsteen) sondern auch als bester Musiker der Scorpions, deren Mitglied er in den 1970ern war. Auf diese Phase konzentriert sich auch sein Solo-Set: Mit „We’ll Burn The Sky“ (Taken By Force, 1977), „Sun In My Hand“ (In Trance, 1976), „Fly To The Rainbow“ (gleichnamiges Album, 1974) und „The Sails Of Charon“ (Taken By Force, 1977) spielte er vier Scorpions-Stücke, nachdem er den Abend mit „Sky Overture“ („Transcendental Sky Guitar“, 2000) eröffnet hat. Virtuos, aber leider mit teils recht undifferenziertem Sound spielt sich Roth quer über die 36 Bünde seiner hippiesk anmutenden Sky-Gitarre. Die Bewunderung ist im Publikum (Gitarristen, im Schnitt männlich, Ü-40) deutlich zu spüren, die Stimmung ist dennoch etwas verhalten.
Den besten und abwechslungsreichsten (und definitiv muskulösesten!) Sound des Abends bietet Dream-Theater-Gitarrist John Petrucci. Der beginnt seinen Auftritt mit „Wrath Of The Amazons“ des Filmkomponisten Rupert Gregson-Williams und spielt sich später durch Solo-Stücke, zwei davon (der fulminante, in Dur gehaltene „Happy Song“ und das rifflastige „Glassy Eyed Zombies“) neu und unveröffentlicht.
Auch Satriani hat zu Beginn mit alles andere als optimalen Klangverhältnissen zu kämpfen – am deutlichsten macht sich das beim dritten Lied, dem Klassiker „Satch Boogie“ (Surfing With The Alien, 1987) zu bemerken, den die unbalancierten Lautstärke vor allem zu Beginn nahezu schluckt. Beim nächsten Stück, der Ballade „Cherry Blossom“ von neuen Album „What Happens Next“ (eigentlich ein archetypischer Vai-Songtitel!), erholt sich die klangliche Situation aber schnell.
Satriani hat seine neue Gitarre dabei
Satriani hat merklich Lust auf die Songs der neuen Platte, die den Schwerpunkt des Konzerts bilden. Die beiden Mitmusiker der CD, Red-Hot-Chili-Peppers-Drummer Chad Smith und Deep-Purple-Bassist Glenn Hughes sind nicht von der Partie, dafür bekommt er Unterstützung von Bryan Beller (Aristocrats) am Bass, Joe Travers (Billy Idol, Duran Duran) am Schlagzeug, Mike Keneally (Frank Zappa) an Gitarre und Keyboard. Keneally (der schon den den Neunzigern als Mitglied von Steve Vais Band Teil von G3 war) ist nicht nur ein hervorragender Spieler in der zweiten Reihe, sondern sorgte mit seinen Solo-Spots auch für die mitunter interessantesten Gitarrensoli des Abends.
Satriani selbst ist in gewohnter Spiellaune und präsentiert dem Publikum auch sein neues Signature-Modell, die neue Version seiner legendären Chromeboy (genauer gesagt: die Ibanez JS1CR30). Als letzte Songs gibt’s die Publikumslieblinge „Summer Song“ und die Ballade „Always With You, Always With Me“ – dann bittet Satriani seine Kollegen Roth und Petrucci auf die Bühne.
Drei Songs jammen sich Satriani, Roth und Petrucci durch die Rockgeschichte. Roth übernimmt den Gesang bei „All Along The Watchtower“ (Hendrix-Version) und spielt auch die Hendrix-Gitarrenlinien nahezu eins zu eins nach. Zuvor gibt’s ein durchwachsenes „Highway Star“ (Deep Purple), das Schlusslicht bildet das Led-Zeppelin-Stück „Immigrant Song“. Spaß haben alle, am zurückhaltendsten spielt lustigerweise Petrucci.
Fazit des Jams: Ein beherztes Gniedel-Fest und und eine Akrobatikveranstaltung, die nicht immer der ganz große Hörgenuss ist. Was an iesem Abend irgendwie fehlt: der ganz große, überzogene Showfaktor zu den tausend Noten pro Sekunde – und hier kommt die fehlende Präsenz eines Mannes in den Sinn: G3 ist ohne Steve Vai (nicht nur ein Virtuose sondern auch ein begnadeter Showman) irgendwie nur halb so schön.