Future Of Music: Noonoouri – die Digital-Aktivistin mit Seele

Der Münchner Designer Joerg Zuber hat mit Noonoouri eine Digitalfigur erfunden, die als Model und Sängerin mit sozialem Gewissen enorm erfolgreich ist

Noonoouri hat in den letzten jahren eine Karriere hingelegt, von der viele Menschen nur träumen können. Allerdings ist sie kein Mensch, und den Neid kann man auch stecken lassen – immerhin setzt sie ihre Berühmtheit für gute Zwecke ein. Mehr als 400.000 Follower hat Noonoouri auf Instagram, darunter Naomi Campbell, Heidi Klum und Lewis Hamilton. Sie ist – als erste Digitalfigur überhaupt – bei IMG Models unter Vertrag, und vor zwei Jahren klopfte dann auch noch Warner Music bei ihr an. Aber wie kam es überhaupt zu dieser so putzigen wie starken Figur, die – anders als viele andere Avatare – gar nicht allzu real aussehen will? Sie hat nicht zufällig puppenhafte Züge, erzählt der Münchner Designer Joerg Zuber, der hinter dem Projekt steht: „Als ich fünf Jahre alt war, fiel es mir schwer, mich mitzuteilen, und ich dachte, wenn ich eine Puppe hätte, die eine richtige Freundin ist, dann könnte ich damit kommunizieren. Über meine Ideen und Visionen sprechen, aber auch über die Dinge, die mich damals schon beschäftigt haben: Kinder, die nichts zu essen haben, oder Tiere, die schlecht behandelt werden. Ich dachte, diese Figur könnte dann darüber berichten. Also habe ich die gezeichnet, ganz klassisch, mit Bleistift und Papier.“ Erzählt hat er damals lieber noch niemandem davon – vielleicht fänden andere das irre? Aber er hat schon überlegt, wo die Figur wohl einkaufen würde, was sie trinken würde, welche Klamotten sie gern hätte.

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Vor zwölf Jahren hat Zuber sie dann in seinem Design-Studio in 3‑D zum Leben erweckt, vor sechs Jahren auf den Markt gebracht – und im Februar 2018 trat Noonoouri erstmals bei der Fashion Week in New York auf. Zuber nennt seine Erfindung eine „Digitalfigur mit menschlicher Seele“, vielleicht kommt sie deshalb so gut an. Fast logisch, dass eine Plattenfirma auf die Idee kam, dass sie sich auch als Sängerin versuchen könnte – es gab da nur ein Problem, so Zuber: „Damals hatte sie noch keine Stimme, das konnten wir uns gar nicht leisten. Sie war ja komplett selbst finanziert worden, ohne Investoren und so weiter.“ Auch kann Zuber selbst gar nicht gut singen. Doch das hielt ihn nicht ab. Mit viel Aufwand zauberte sein Team eine Stimme für Noonoouri – auf Zubers eigener basierend, mit Auto-Tune verfremdet, „weiblich, aber nicht zu human“. Die Debütsingle, „Dominoes“, gemeinsam mit DJ/Produzent Frans Zimmer alias Alle Farben produziert, erschien im September 2023 – fröhlicher Electro-­Dance-Pop, aber im Sinne der Figur mit Botschaft: „Wir wollten mit den Lyrics schon auch zum Nachdenken animieren. Dominoeffekt bedeutet hier ja, dass ein Stein unter fünf Millionen etwas bewirken kann – auch wenn man das erst gar nicht glaubt. So kann auch jeder Mensch seinen Beitrag leisten, um die Welt besser zu machen. Und wenn es nur ist, dass man in der Bäckerei die Brötchen mit einem Lächeln bestellt, statt grantig zu sein.“

Noonoouri hat bestimmt viel Dua Lipa und Kylie Minogue gehört, und für Zuber war klar, dass es „uplifting, positiv, treibend“ sein soll – Musik, die man sich am Samstagabend anhört, während man sich zum Ausgehen fertig macht. Sozusagen um „into the groove“ zu kommen. Weitere Songs, vielleicht gar ein Album sollen 2024 folgen. Noonoouris Fokus ist jetzt auf der Musik, und da Zuber kürzlich beim ABBA-Avatar-Konzert in London ganz inspiriert war, kann er sich durchaus „Live“-Auftritte seiner Figur vorstellen: „Das ist natürlich ein großer Traum!“ Die Figur ist jetzt 24. Vor ihrem 30. Geburtstag wird sie das sicher geschafft haben. Die Begeisterung und Leidenschaft fürs Kreative, die man Zuber in jeder Minute anmerkt, wird sie noch weit(er) bringen.

Noonoouri soll „Vorbild und Fantasie“ sein

Was ihm wichtig ist: Noonoouri wurde digital erzeugt, aber nicht mit künstlicher Intelligenz. Sie ist ein CGI-Produkt, all ihre Bewegungen werden minutiös nachgestellt – es ist viel Kleinstarbeit, bis sie lebendig genug aussieht. Inzwischen arbeitet ein Team von fünf bis fünfzehn Leuten in München, Spanien und Argentinien an der Figur. Für Zuber muss es nicht Paris oder New York sein, Noonoouri ist sowieso Weltbürgerin. Er will diese Arbeitsplätze sichern und sie nicht einfach einem Computer überlassen. Noonoouri ist „von Menschen für Menschen gemacht“, soll „Vorbild und Fantasie“ sein. Wahrscheinlich sagt Zuber das nicht zufällig in dieser Reihenfolge. Als „Digitalaktivistin“ arbeitet sie mit UNICEF und anderen Organisationen zusammen, in Kenia half sie zwei Millionen Bäume zu pflanzen. Wie entscheidet Zuber, für welche Zwecke sich seine Figur einsetzt? „Es muss mit ihr in Einklang stehen. Hauptsächlich wollen wir uns jetzt für Dinge und Leute stark machen, die selbst keine Stimme haben, so wie sie früher keine Stimme gehabt hat. Meistens für Kinder, Tiere, Natur. Aber sie tritt auch für feministische Themen ein, für Gleichberechtigung, gegen Rassismus.“

Ihm ist durchaus bewusst, dass er sich in einem komplizierten Feld bewegt: „Noonoouri berichtet über die Glitz-und-Glam-Welt, aber auch über wichtige Themen, die uns beschäftigen: Veganismus, Verpackung, Fashion als zwiespältige Branche, all das. Ich versuche da Stellung zu beziehen, aber ohne erhobenen Zeigefinger.“

Für die „Dominoes“-Single hat er mit Five Music zusammengearbeitet, einem Zweig der Kette Five Hotels and Resorts aus Dubai – einem Land, in dem Menschenrechte bekanntermaßen nicht so viel gelten. Wie geht das mit Noonoouris moralischen Ansprüchen zusammen? „Unser Deal ist mit Warner Music, Five war nur bei der ersten Single dabei – ‚Dominoes‘ ist dort entstanden. Wir versuchen mit Noonoouri eben immer gerade auch in Länder zu gehen, wo vielleicht noch einiger Handlungsbedarf ist. Im Luxusfashion-Segment gibt es ja zum Beispiel auch immer noch Unternehmen, die leider wieder sehr stark auf Pelze setzen, die exotisches Leder verwenden und so weiter. Wir versuchen da zum Überdenken anzuregen. Nicht zu sagen: Ihr seid schlecht, mit euch wollen wir nichts zu tun haben. Sondern eher den Brands neue Möglichkeiten und Wege aufzuzeigen. Wir hatten auch mal eine interessante Kooperation mit einem Forschungsunternehmen, das künstliches Leder herstellt.“ Zuber ist es wichtig, nicht noch mehr zu spalten, sondern die Welt so zu umarmen, wie sie momentan nun mal ist: „Es fängt im Kleinen an, wie zum Beispiel damit, dass in Cafés immer noch davon ausgegangen wird, dass man den Kaffee mit Kuhmilch trinkt. Da wird Noonoouri nicht sagen: Du bist schlecht, wenn du das machst. Sondern sie fragt: Hast du mal die anderen Varianten probiert? Wir wollen mit offenen Armen auf Leute zugehen, nicht angreifen.“

WMG
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