Future Brown: Weg mit den Klischees!
Das Produzenten-Kollektiv Future Brown verbindet fremdartige Klänge mit Systemkritik.
Was hat der Basketball im Museum verloren? Er hüpft und springt durch einen Saal der New Yorker MoMA-Dependance PS1, getrieben von einem Team dunkelhäutiger Sportler. Sie dribbeln im Liegen, sie dribbeln im Stehen, und damit auch die Zuschauer in den hinteren Reihen nichts verpassen, wird ihr elegantes Spiel auf eine große Videoleinwand projiziert.
Das Ganze ist Teil einer Performance von Future Brown, einem Produzenten-Kollektiv bestehend aus der im Senegal und in Kuwait aufgewachsenen Fatima Al Qadiri, J-Cush, dem Boss des New Yorker Labels Lit City Trax, sowie Asma Maroof und Daniel Pineda, die zusammen das Duo Nguzunguzu bilden. Mit wissendem Lächeln stehen die vier hinter ihren Plattenspielern und Mischpulten, als wollten sie sagen: Pop ist viel mehr als nur Musik.
Pop ist viel mehr als nur Musik
„Der Basketball ist eine Metapher – er macht uns zum Team“, erklärt Fatima Al Qadiri, deren Grime-Debütalbum, „Asiatisch“, schon im vergangenen Jahr völlig zu Recht für Aufsehen sorgte. „Bands sind ein Ding aus der Welt von Rock und Pop, das beschreibt nicht, was wir als Produzenten tun.“ Und ihr Kollege J-Cush ergänzt: „Trotzdem gibt es auch bei uns den Wunsch, etwas mit Freunden zu machen, ein Bedürfnis nach der Energie, die im Studio zwischen uns fließt.“
„Freiheit und freie Märkte schließen sich gegenseitig aus. Das halte ich für eine grundsätzliche Tatsache“
Nun haben Future Brown auf Warp ihr Debütalbum veröffentlicht. Unterstützt wurden sie dabei von einem Dutzend talentierter Rapper und Sänger wie Tink, Riko Dan und Sicko Mobb, die für unterschiedliche Stile zwischen Grime, Dancehall und Dubstep stehen. Es ist ein Trip in eine bedrohlich klingende Zukunft, faszinierend und erschreckend zugleich. Denn hinter den vertrackten Rhythmen und fremdartigen Klangflächen lauert eine pessimistische Weltsicht: „Freiheit und freie Märkte schließen sich gegenseitig aus. Das halte ich für eine grundsätzliche Tatsache“, sagt Al Qadiri.
Frauen werden vollgestopft mit Klischees!
Das Video zu dem karibisch bouncenden Track „Vernáculo“ mit Gastsängerin Maluca ist deshalb irritierend systemkritisch. Es geht um die fiktive Kosmetiklinie „Future Brown“, die mit der Ästhetik eines Werbeclips zelebriert wird – und zwar ausschließlich von dunkelhäutigen Frauen. So glossy und dennoch hintergründig, dass das Video seine Premiere im Pérez Art Museum Miami feierte.
„Maluca singt aus der Position einer sehr starken Frau: ‚Schau dir meinen Arsch an, meinen vernáculo!‘ Sie definiert damit ihren Platz als Frau in der Gesellschaft“, so Al Qadiri. „Frauen werden vollgestopft mit Klischees! Sie sollen sich Kosmetik ins Gesicht schmieren, aber das verstecken, was sie wirklich ausmacht. Der Song übt Kritik an der Beauty-Industrie, da gibt es selten Frauen, die wie Maluca aussehen.“
Die Menschheit der Zukunft ist braun
Dem hellhäutigen Ideal der Schönheitsindustrie entsprechen mit ihren multiethnischen Wurzeln auch Future Brown nicht. Und obwohl das Quartett Fragen nach der Bedeutung seines Namens ausweicht – meist wird dann die Geschichte von braunen Farbhalluzinationen auf einem LSD-Trip eines Freundes erzählt –, liegt hier eine mögliche Antwort: Die Menschheit der Zukunft wird vermutlich nicht mehr weiß, gelb oder schwarz sein, sondern sich vermischen zu einem verheißungsvoll schillernden Braun – Future Brown eben.
Das Produzenten-Team vermeidet allerdings Diskussionen über Kontext und Hintergründe seiner Musik. Das Albumcover stammt von dem New Yorker Post-Internet-Kunst-kollektiv DIS, das 2016 die Berlin Biennale kuratiert. Aber über solche Verbindungen möchten die Musiker lieber nicht reden. Sehen sich Future Brown eher als Produzenten mit einem Ohr am Sound der Straße? Für J-Cush ist auch Authentizität kein Thema: „Alles ist authentisch! Alles kommt von einem aufrichtigen Ort!“
Doch Al Qadiri, die auch als Konzeptkünstlerin arbeitet, sieht einen Unterschied zwischen Rappern und Produzenten: „Iggy Azalea ist eine weiße Frau aus Australien, die in einem schwarzen Dialekt rappt. Das ist nicht besonders authentisch. Aber für uns stellt sich die Frage nicht. Was wir machen, sind instrumentale Interpretationen der Genres, die auf dem Album zu hören sind.“
„Iggy Azalea ist nicht besonders authentisch“
Dann erzählt sie von einem deutschen Produzenten, mit dem in den USA alle Rapper arbeiten wollen. Und tatsächlich: Der US-Rap-Beat des letzten Jahres – Ques „OG Bobby Johnson“ – stammt von dem Bremer Adrian Brusch, einem angehenden Deutsch- und Religionslehrer. „Er kommt nicht von der Straße, er ist kein Amerikaner und auch nicht aus der hood. Er fällt völlig aus der Erzählung, die man in diesem Rahmen gern propagiert. Denn es ist egal, ob die Beats von jemandem aus Timbuktu stammen oder aus Chicago.“
Fast hat man das Gefühl, dass auch in diesem Moment wieder ein Basketball durch den Raum rollt. „It’s all in the game“, das gehört alles zum Spiel, ist eine Weisheit, auf die sich viele Amerikaner einigen können, unabhängig von Rasse und Klasse. Future Brown haben nicht nur mit ihrem Debütalbum gezeigt, dass sie wissen, wie man das Spiel spannend hält.