FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE – Interview

Die Hannoveraner Fury In The Slaughterhouse gelten sogar nach niedrigen deutschen Maßstäben als unmodern, ja uncool. Man hat aufgehört, die Alben zu zählen, doch jedes Jahr erscheint ein neues. Ergötzlicher als das Schaffen der Watschenmänner war kürzlich ein Auftritt in Dr. Bioleks Kochstudio, wo sie sich patent wohlfühlten. Sonst ist nicht viel auf der Pfanne: Die neue Platte "Nowhere... Fast!" enthält gewohnt melodieselige, hymnische Gebrauchsmusik und Texte aus dem Englischkurs, in denen sämtliche Gemeinplätze der Rock-Lyrik bearbeitet werden. Dabei sind die Fury-Musiker privat ebenso unterhaltsame wie auch sympathische Geschichtenerzähler: Mukker-Possen, Hitler-Parodien und eine geplante Aktion "Rent a gossip" haben Irrwitz. Auch erfährt man im zwanglosen Gespräch mit Gitarrist Thorsten und Keyboarder Gero, daß ihnen Eddie Vedder noch einen Haufen Gras schuldet.

Ein berüchtigter Autor hat Euch im letzten Jahr im Tour-Bus begleitet und anschließend einen hämischen Bericht im „Spiegel“ geschrieben, der Euch als biertrinkende Simpel darstellt. Hatte Euch denn niemand vor ihm gewarnt?

G: Der hat sich nicht mal vorgestellt, der saß einfach nur da und war immer furchtbar freundlich. Wir fragten mal: „Wer ist das?“ Die Story ist redaktionell wohl nicht richtig bearbeitet worden.

T: Um das Thema abzuschließen: Wenn man drei Tage lang Gelegenheit hat, mit der Crew zu sprechen, drei Produktionen miterlebt, erkennen kann, wie alles läuft, ob das Kohle-Sachen sind oder andere Hintergründe hat, dabei sollte schon mehr rauskommen. Der hat jede Nacht im Bus geschlafen. Nun ist besagter „Spiegel“-Autor aber auch kein Musikjournalist.

T: Das merkte man auch.

Wundert Euch denn der dort kolportierte Eindruck von der Rock-Welt: Man geht spät zu Bett, macht Party, trinkt Jim Beam, und irgendwo liegen auch noch ein paar Linien Koks rum.

G: Erstens schlafen wir nach den Gigs im Bus meist gleich ein, zweitens trinken wir nicht Jim Beam, drittens liegen da keine Linien, und Party machen wir auch kaum. Daraus hätte man ’ne Geschichte machen können: über diese langweilige Band, die nur Bus fahrt.

T: Es wäre doch Pflicht, dieses Phänomen Fury einmal zu durchleuchten oder zumindest anzukratzen.

G: Selbst wenn man es scheiße findet! Man kann ja schreiben: Die Leute sind blöd, der Campingplatz ist blöd, die Band ist blöd.

Da beginnt allerdings die Schwierigkeit: Warum ist das alles blöd? Warum mögen Euch so viele Menschen? Habt Ihr eine Erklärung dafür?

G: Nö, darüber haben wir noch nicht eingehender nachgedacht

T: Hey, ich kann Dir Geschichten erzählen! In Hamburg gibt’s eine Engtanzfete, darüber mag jeder denken, was er will, da werden immer wieder dieselben Songs gewünscht. Seit elf Jahren. Und bei uns kommt einer und fragt, ob wir heute abend wieder „Won’t Forget These Days“ spielen würden. Denn dabei hätten er und seine Frau sich kennengelernt, als er 18 war.

G: Große Gesten zu einfacher Musik.

T: Das hat sich durchgezogen bis nach Amerika, wo die Leute meinten, „Every Generation“ sei das großartigste und intelligenteste Lied seit langem. Wir haben’s einfach nur gemacht.

Versteht Ihr Euch als Gymnasiasten-Band, so wie es in den USA die College-Bands gibt? Wer sind Eure Zuhörer?

G: Das Gros ist mit uns gewachsen, aber es gibt auch Jüngere.

T: Konsens-Rock eben. Vorn stehen die Schüler, und hinten deren Lehrer; Was laut Fan-Brief schon mal vorgekommen ist. Wenn du große Hallen spielst, ist das immer so. Bei U2, bei Oasis. Nur in Deutschland hat es etwas muckermäßig Angestaubtes, so etwas Biederes. Keine Ahnung, warum.

G. Da unterstellt man einem schnell so ein mediokres Gemisch.

T: Trendverweigerung! Es ist ja nicht so, daß wir nicht zu Hause herumjammen. Als wir im „Peppermint Park“-Studio damals anfingen, war Mousse T., der Remixer, immer im Nachbarraum Zugänge. Wir haben uns nebenher mit anderen Leuten immer an solchen Dingen beteiligt – aber die Band als solche ist, was sie ist. Wir glauben an unser Ding: daß wir das vertiefen, was wir als Songwriting machen. Wenn wir den Trends hinterherlaufen, werden wir immer zu spät dran sein.

Euer Albumtitel „Nowhere… Fast!“ klingt so furchtbar fatalistisch.

T: Der stammt von unserem Freund Jim Rakete, mit dem wir viele Foto-Sessions machen. Der hat von diesen Business-Dinners berichtet, die nach 45 Minuten bereits komplett erledigt sind. Daher also dies „Nowhere… Fast!“

G: Und deshalb auch das Ost-Ampelmännchen auf dem Cover der Platte.

Was brachte der Ausflug nach Amerika vor drei Jahren? Woran ist das gescheitert? Fehlte euch ein Image?

G: Wir würden uns schwertun, wenn jemand sagen würde: „Seid doch mal komplett anders! P.c.-Bart, schön Haare färben, die Hosen abschneiden, Grunge, Gitarren tiefer hängen, und jetzt macht bitte mal ganz andere Musik!“

T: Wir haben alles probiert. Wir wollten um „Every Generation“, das in den USA wirklich ein Hit war, so was wie eine europäische College-Rock-Band der etwas intelligenteren Art basteln. Konzertmäßig war das ein riesiger Reißer drüben. Die Amerikaner brauchen aber immer große Gesten, große Dinge. In der Hinsicht sind wir drüben eingegangen.

G: Wir haben uns aber auch, ehrlich gesagt, stumm verweigert. Wenn das Spektrum definitiv weiter gestreut ist, dann kannst du es einfach nicht auf nur ein Image verengen.

Ihr bereut diese Reise aber nicht?

G: Ein Freund saß morgens am Golf von Mexiko. Er beobachtete Delphine draußen vor der Küste. Dann schaute er zum Himmel hoch und sah einen Space-Shuttle, der gerade ins All abhob. So etwas erlebt man einfach nur dort. Und darum: Klar, wir würden es garantiert sofort wieder machen.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates