Frühlingserwachen
Die Liebe und ein eigenes Studio ließen die Romantiker von Air mit neuer Leidenschaft zur Tat schreiten.
Die Franzosen sind von der Liebe besessen. Auch Nicolas Godin und Jean-Benoit Dunckel verstehen sich als große Romantiker, als Sentimentalisten sogar. „Es gibt diesen magischen Moment, wenn eine Beziehung beginnt, und dorthin will man sein Leben lang wieder zurück“, sinniert Godin. „Und ist man nicht gerade verliebt, dann redet man ununterbrochen davon, es ist wie in einem Woody-Allen-Film.“ Kein Wunder also, dass die beiden ihr mittlerweile achtes Album „Love 2“ nannten und das Thema Liebe sämtliche Songs dominiert. Es ist fast so, als wären sie dazu verdammt: „Selbst wenn wir versuchen, über andere Dinge zu singen, landen wir am Schluss doch wieder bei der Liebe. Letztlich geht es uns immer um die Suche nach der idealen Frau.“
Seit ihrem Großwerk „Moon Safari“ gelten Air als die Meister der Beischlafmusik. Ahnlich wie früher zum glamourösen Soul von Isaac Hayes, den Air bewundern, geben sich auch zu den entspannten, retrofuturistischen Moog-Klängen von Air ungezählte Paare dem Liebesspiel hin. „Das hören wir immer wieder, aber ‚Love 2‘ ist anders, hier wollten wir wilder und spontaner sein“, erklärt der studierte Architekt und große Weinliebhaber Godin. Um unabhängiger arbeiten zu können, haben sie sich im Norden von Paris ein eigenes Studio eingerichtet, eingerichtet nur mit dem Besten aus der digitalen und analogen Welt – sie tauften es Atlas, nach der Gegend, in der es steht. Ein Klangspielplatz für große, erfolgreiche Jungs und zugleich ein Traum, der Gefahren birgt. „Ich bekam urplötzlich Angst, denn wir hatten das Studio unserer Träume erschaffen, und ich fürchtete mich vor diesem Moment ohne Ziel, wenn man alles erreicht hat, und dann nur noch langweilige Musik macht“, bekennt Godin – und nennt Pink Floyd, Sting und Paul McCartney als abschreckende Beispiele: „Als sie jung waren, machten sie diese fantastischen Platten, später saßen sie in ihren großen Studios, und es kam nichts mehr.“
Es geschah das Gegenteil. Kein anderes Album haben Air so schnell aufgenommen wie „Love 2“, und dabei hatten sie das Gefühl, wieder 16 zu sein. Dunckel und Godin holten sich den kalifornischen Session-Drummer Joey Waronker ins Studio, und ein gutes Drittel der Songs entstand bei spontanen Jam-Sessions. Statt sich zu verzetteln, entdeckten sie neue Spielfreude, und in ihr gründen wohl auch die vielfältigen Einflüsse. Frühe Elektronik und Tropicalia, psychedelischen Jazz und Surf haben sie verarbeitet. „Wir wollten uns von dem japanischen Dogma des Minimalismus, des Konzepts und der Kontrolle entfernen“, erklärt Godin.
Ob Musik oder Liebe -investiert man Leidenschaft, erneuert sie sich von allein.